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Medizin im "Dritten Weltkrieg". Die bundesdeutsche Ärzteschaft und der Zivilschutz (1960-1990)

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2014 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 249107226
 
Die Geschichte des Kalten Krieges ist auch die Geschichte des Atomkrieges, der nicht stattfand. Politiker, Militärs, zivile Experten und große Teile der Bevölkerung haben über Jahrzehnte mit der Möglichkeit eines atomaren Weltkrieges gerechnet. Zu dessen Hauptschlachtfeldern hätten die beiden deutschen Staaten gezählt. Die Geschichte dieses ungeschehenen Krieges ist eine Geschichte der Erwartungen, Rechtfertigungen und Planungen geblieben, die sich mit der konkreten Möglichkeit massenhaften Leidens und Sterbens befassten. In diesem zeithistorischen Forschungsprojekt geht es darum, wie sich deutsche Ärzte im Kontext des Zivilschutzes auf den atomaren Ernstfall vorbereiteten. Es sollen Denkmuster, Planungen und Handlungsweisen medizinischer Experten angesichts der kaum lösbaren Aufgabe untersucht werden, in einem atomaren Krieg der Supermächte das Überleben möglichst Vieler zu gewährleisten. Die Studie geht der Frage nach, wie die historisch beispiellose Gefahr atomarer Massenvernichtung im bundesrepublikanischen Frontstaat professionsspezifisch thematisiert, pragmatisiert und letztlich in handhabbare Praktiken und Konzepte umgesetzt wurde. Dabei werden das fachliche Wissen, die Handlungsregeln und die normativen Orientierungen der zivilen und militärischen Ärzteschaft ebenso berücksichtigt wie die institutionelle Entwicklung der entstehenden Katastrophenmedizin, die kulturelle Selbstdarstellung ihrer Protagonisten sowie deren Verhältnis zu politischen Entscheidungsträgern und der potenziell betroffenen Bevölkerung. Die Studie greift auf umfangreiche Bestände publizierter und ungedruckter Quellen zurück: Es werden Druckschriften und Akten verschiedener staatlicher Behörden, des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, ärztlicher Berufsorganisationen und Einrichtungen der Zivilverteidigung wie auch von ärztlichen Friedensaktivisten der International Physicians for the Prevention of Nuclear War ausgewertet. Die Arbeit geht auf die Ebene der professionellen ärztlichen Organisationen, auf das Selbstbild von Ärzten und auf die öffentlichen Debatten über die Legitimität von Expertenhandeln ein, das im hypothetischen Ernstfall buchstäblich über Leben und Tod von Millionen entschieden hätte. Breitere Interpretationskontexte werden durch den Foucaultschen Begriff der Bio-Politik, Didier Fassins Überlegungen zu den politics of life und durch das im 20. Jahrhundert so populäre Konzept des social engineering eröffnet.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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