Das Forschungsprojekt wurde als eine Sekundärstudie zu einem bereits vorliegenden umfangreichen Korpus von qualitativ empirischem Material konzipiert. Aus diesem Korpus wurden 23 Experteninterviews mit HochschullehrerInnen an zwei Écoles normales supérieures (École normale supérieure de la rue d’Ulm und École normale supérieure de Cachan) sowie Dokumente der Selbstrepräsentation dieser Institutionen (Internetauftritt der Hochschulen, Printmedien) ausgewählt und unter dem Fokus der Thematisierung von Internationalisierung/ Internationalität mit dem Verfahren der Dokumentarischen Methode ausgewertet. Die Forschungsergebnisse gliedern sich im Wesentlichen in zwei Hauptachsen auf. Zum einen wurden fünf Orientierungsmuster, die sich bei beiden Écoles normales supérieures in unterschiedlichen Ausprägungen und zum Teil mit verschiedenen Fokussen zeigten, herausgearbeitet: Orientierung an Tradition/Transformation, Orientierung an Forschung, Orientierung an Wettbewerb, Orientierung an gesellschaftlichem Engagement und Orientierung an Selektion. Diese Orientierungsmuster werden dabei als Dimensionen des institutionellen Habitus dieser Hochschulen verstanden und geben Aufschluss über die gegenwärtige Situation dieser Hochschulen hinsichtlich aktueller Transformationsprozesse der französischen Hochschul- und Forschungslandschaft im Kontext von Internationalisierung. Zum anderen manifestierten sich Mechanismen der Distinktion und Kohärenzbildung auf vier verschiedenen Ebenen innerhalb des Hochschul- und Forschungssystems: die Ebene der Écoles normales supérieures untereinander, die Ebene der französischen Universitäten, die Ebene der grandes écoles und die Ebene internationaler Universitäten und anderer Hochschuleinrichtungen. Die Analyse der Mechanismen auf den vier Ebenen brachten zum einen Erkenntnisse hinsichtlich der aktuellen Positionierung der Écoles normales supérieures innerhalb des französischen akademischen Feldes hervor. Zum anderen lieferte sie aber auch – und diese Forschungsergebnisse gehen über die ursprünglichen Zielstellungen des Projektes hinaus (siehe auch Hinweise aus der Begutachtung) – Erkenntnisse über die Relationen zwischen diesen Ebenen, einerseits der ENS und deren Relationen zu anderen Ebenen, andererseits aber auch die Relationen innerhalb der anderen Ebenen dieses Kräftefeldes. So ist etwa zu beobachten, dass eine Zunahme der Kohärenzbildung im Hinblick auf die Ebene der internationalen Universitäten und anderen Hochschuleinrichtungen einen entscheidenden Einfluss auf das nationale akademische Kräftefeld ausübt, z. B. verschwimmt in diesem Kontext die traditionelle Distinktionslinie von Universitäten und grandes écoles in Frankreich. Obwohl wegen der Materialfülle die geplante Erarbeitung einer Typologie auf sinngenetischer Ebene nicht mehr stattfinden konnte, leistet die Herausarbeitung der Dimensionen des institutionellen Habitus der Écoles normales supérieures unter dem Fokus auf Internationalisierung sowie der Mechanismen von Disktinktion und Kohärenzbildung innerhalb der akademischen Landschaft einen wichtigen Beitrag zur Erforschung des Feldes der grandes écoles angesichts aktueller Transformationsprozesse. Gleichzeitig eröffnet es innovative Vergleichshorizonte im Hinblick auf andere nationale Systeme der Elitebildung, die mit der Herausforderung der Internationalisierung konfrontiert sind.