Science of Education in the Bologna ProcessStrategies and orientation frameworks in the reform of academic programmes
Final Report Abstract
Das Projekt konnte in zwei größeren Teilstudien zeigen, wie sich die Studiengangslandschaft erziehungswissenschaftlicher Hauptfachstudiengänge in Deutschland aktuell darstellt und verändert hat und welche Prozesse auf der Akteursebene zur Etablierung neuer Studiengänge im Zuge der Bolognareform geführt haben. Dabei erwies sich die Studiengangslandschaft in der Erziehungswissenschaft in fächervergleichender Perspektive zur Soziologie strukturell und inhaltlich als deutlich pluraler. Auf der Basis einer quantitativen Inhaltsanalyse der Modulhandbücher, Studien- und Prüfungsordnungen wurde deutlich, dass in erziehungswissenschaftlichen Studiengängen von unterschiedlichen Profilbildungen im Hinblick auf die Anteile an allgemeinen Grundlagen Forschungsmethoden und Praktika sowie Inhalten, die sich auf unterschiedliche Handlungsfelder beziehen, auszugehen ist. Demgegenüber differieren diese Anteile in soziologischen Studiengängen zwar auch, sind jedoch immer ähnlich relationiert. Ebenso erwies sich die Erziehungswissenschaft bereits auf der Ebene der Fachbezeichnungen als deutlich ausdifferenzierter, finden sich doch bei insgesamt 186 Studiengängen 90 verschiedene Fachbezeichnungen, die sowohl auf generalisierte, teildisziplinbezogene oder themenbezogene Ausrichtungen verweisen. Gleichwohl überraschte, dass sich diese begriffliche Differenzierung nicht zwangsläufig in den inhaltlichen Ausrichtungen der Studiengänge niederschlägt. Insbesondere mit dem relativ neuen Begriff ‚Bildungswissenschaft‘ sind bspw. ganz unterschiedliche disziplinäre Orientierungen der Akteure verbunden, wie es dann auch die Auswertungen des qualitativen Materials der Gruppendiskussionen zeigen. Auf der Basis der Dokumentarischen Methode konnten im qualitativen Teil der Studie zwei sinngenetische Typenbildungen rekonstruiert werden, die einerseits deutlich machen, wie unterschiedlich die Akteure erziehungswissenschaftlicher Studiengänge mit der Anforderung, Studiengänge und Curricula kollektiv gestalten zu müssen mit dem Handlungsproblem heterogener disziplinärer Orientierungen umgehen und die andererseits darauf verweisen, dass dies mit einem zweiten Handlungsproblem einhergeht, nämlich dabei auch einen Umgang mit den Regelerwartungen der jeweiligen Hochschule finden zu müssen. Dass beide Typenbildungen nicht in einem verbindenden Muster aufgehen, macht deutlich, dass die FachvertreterInnen in der Erziehungswissenschaft im Spagat zwischen Disziplin und Organisation kaum auf übergeordnete Orientierungsfolien oder geteilte disziplinäre Standards zurückgreifen (können), sondern diese je standortindividuell aushandeln (müssen). Fächervergleiche auch in qualitativer Perspektive könnten hier zeigen, inwiefern damit eine spezifische Eigenlogik fragmentierter Disziplinen erfasst wurde und damit auch ein Beitrag zur Erweiterung disziplin- und wissenschaftstheoretischer Perspektiven geleistet werden kann. Übergreifend wurde in den Rekonstruktionen deutlich, dass zum einen Studiengänge noch stärker als Orte symbolischer Grenzziehungen betrachtet werden müssen, die disziplinäre Zuordnungen markieren und Identität herstellen. Sie müssen deshalb in theoretischen Entwürfen zu Disziplinentwicklungsprozessen stärker Berücksichtigung finden. Gleichzeitig erweist sich die Hochschule als durchaus mächtiger Akteur in der Studiengangsgestaltung und dies nicht nur über strukturelle Vorgaben, sondern deutlich auch über inhaltliche Eingriffe, die mit den disziplinären und fachlichen Orientierungen der Akteure konfligieren (können). Auch in dieser Hinsicht könnten Fächervergleiche Aufschluss über mögliche graduelle Unterschiede zwischen den Disziplinen und deren Bedingungen geben. Deutlich wurde insgesamt, dass sich im Zuge der Bolognareform in unterschiedlicher Weise (Ver-)Handlungsräume eröffnen, um disziplinäre Zuschreibungen und Verortungen von Studiengängen neu zu justieren. Abhängig sind diese Prozesse gerade im Fall der Erziehungswissenschaft von den jeweiligen Akteurspositionen und -konstellationen am Standort, die auf differente Machtverhältnisse verweisen sowie den darin verankerten Bezugnahmen auf organisationale Regelerwartungen. Dass hierfür von den erziehungswissenschaftlichen FachvertreterInnen ganz unterschiedliche Wege gefunden werden, liegt nicht zuletzt an ihrem Charakter einer pluralen und ausdifferenzierten Disziplin.
Publications
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