Der Entstehungsprozess und das Verständnis des "Unterricht[s] der Visitatoren" von 1528 konnte durch neu aufgefundenes Quellenmaterial im Thüringischen Landesarchiv - Hauptstaatsarchiv Weimar deutlich erhellt werden. Gerade die handschriftlichen Notizen an wenigstens zwei Textentwürfen, beigelegte handschriftliche Gutachten, aber auch viele handschriftliche Einzelbelege im Entstehungsprozess und der Vorbereitung des Drucks über einen Zeitraum von fast einem Jahr, gewähren tiefergreifende Einblicke über Zusammenstellung und beteiligte Personen des gedruckten Unterricht[s] der Visitatoren. Mit den nunmehr aus dem abgeschlossenen Projekt resultierenden und digital wie gedruckt präsentierten Arbeitsergebnissen kann der 1528 gedruckt vorgelegte Unterricht der Visitatoren unter verschiedenen Problemstellungen abgefragt und in den reformatorischen Gesamtkontext eingeordnet werden. Dabei kann sowohl eine historischentstehungsgeschichtliche als auch eine theologiegeschichtlich-analytische Vorgehensweise gewählt werden. Die vorgelegte digitale Präsentation aller 1528 gedruckten Fassungen des Unterricht[s] der Visitatoren im „Reformationsportal Mitteldeutschland (Digitalen Archiv der Reformation)“ unterstützt darüber hinaus maßgeblich weitere Forschungen zu Textvarianten, Verbreitung und Rezeption eines ersten, grundlegenden Normtextes der „Wittenberger Reformation“, der für die Etablierung eines reformatorischen landesherrlichen Kirchenregiments notwendig war. Sowohl den in Mitteldeutschland üppig blühenden alternativen Formen der Reformation (u.a. Täufer) wie auch der zurückgelassenen Papstkirche wird ein Gemeinschafts- und Konsensdokument der „Wittenberger Reformation“ gegenübergestellt. Die darüber hinaus im Thüringischen Landesarchiv - Hauptstaatsarchiv Weimar gefundenen handschriftlichen Entwürfe zum Unterricht der Visitatoren mit dem oben angesprochenen und digital präsentierten Anmerkungsapparat geben einen wichtigen Einblick in den Formierungsprozess der nun landesherrlich verfügten „Wittenberger Reformation“ zwischen Bauernkrieg, Visitationsbewegung und Abfassung der „Confessio Augustana“ 1530. Die aus dem Projekt heraus bereitgestellten Dokumente ermöglichen es dem Benutzer überdies, theologischen oder historischen Fragestellungen umfassend nachzugehen. Vom Formierungsprozess bis zum Druck des Unterricht[s] der Visitatoren 1528 (und darüber hinaus bis zur teilweise unveränderten Neuauflage 1538) konnten als wesentliches Ergebnis des Projektes die Auswirkungen tagespolitischer Ereignisse und Entwicklungen ebenso wie der prägende Einfluss unterschiedlicher theologischer Reformationsvorstellungen sowie juristische Bedenken nachgewiesen werden. Die Visitation vom Sommer 1527 trug entscheidend dazu bei, den Entwurf des Unterricht[s] der Visitatoren im Herbst und Winter 1527 zu diskutieren, zu überdenken und endgültig auszuformulieren. In dieser Phase griff Luther auf Weisung seines Landesherrn in die Diskussionen bei den Torgauer Zusammenkünften ganz entscheidend ein. Der nunmehr formulierte Text des Unterricht[s] der Visitatoren zielt nach Luthers Meinung und landesherrlichem Willen nicht nur auf eine Abgrenzung von den Gegnern, sondern vor allem auf eine gut verständliche Orientierung für Pfarrer, Prediger, Schulmeister und Gläubige in den Gemeinden. Daher sind – anders als die Articuli Melanchthons – die Entwürfe und der Druck des Unterricht[s] der Visitatoren in deutscher Sprache verfasst. Vor dem Hintergrund des Reichstages von 1526, unter dem Eindruck der Nachwirkungen des Bauernkrieges und im Angesicht der Täuferbewegung, aber auch eingedenk der überall spürbaren Unruhen einer verunsicherten Gesellschaft (Türkengefahr, Rechtsunsicherheit, „Frühkapitalismus“) und in Erwartung einer Zeitenwende, stellt der Unterricht der Visitatoren eine wesentliche Orientierungshilfe im Prozess reformatorisch-landesherrlicher Umgestaltung dar und bleibt ein wichtiges Dokument auf dem Weg zur Konfessionsbildung. Ob und wie er als solcher umfassend in den protestantischen Territorien aufund angenommen wurde, bleibt weiteren Forschungen überlassen, wenngleich im Projekt sehr wohl auch Indizien für eine solche Annahme vorgelegt werden konnten. Belegbar ist jedenfalls, dass die 1528er Fassung noch 1538 im Umlauf war bzw. nun bis nach Kopenhagen Nachdrucke erfuhr.