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Desynchronisierte Gesellschaft? Politische Herausforderungen an den Schnittstellen des Sozialen

Fachliche Zuordnung Soziologische Theorie
Förderung Förderung von 2013 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 239393737
 
Das Projekt untersucht in systematischer Absicht die Herausforderungen und Mechanismen der Synchronisation und Desynchronisation gesellschaftlicher Teilbereiche. Im Fokus steht dabei der Einfluss des Zeitfaktors auf politische Akteure und demokratische Institutionen in der Gegenwartsgesellschaft. Entsprechende Erkenntnisse werden von einer empirischen Analyse der Schnittstellen zwischen Politik und gesellschaftlicher Umwelt erwartet. Dort prallen nicht nur heterogene Interessen, sondern auch konfligierende Operationsgeschwindigkeiten aufeinander. Um diese Prozesse zu erfassen, werden die Zeitstrukturen der Politik in Relation zu anderen Lebensbereichen gesetzt (Wirtschaft, Massenmedien, Wissenschaft und Natur). Die Studie wird durch drei zentrale Forschungshypothesen angeleitet.Erstens wird geprüft, ob es in der modernen Gesellschaft zu einer temporalen Desynchronisation einzelner Subsysteme kommt. Unsere Ausgangsvermutung lautet, dass Wirtschaft und Massenmedien einen immer stärkeren Einfluss auf soziale Entwicklungen ausüben, da sie ihre Operationsgeschwindigkeit durch digitale Kommunikationstechnologien extrem gesteigert haben. Langsamere Bereiche wie die Politik geraten dadurch unter Zeitdruck und werden dem Rhythmus der beschleunigten Felder unterworfen.Zweitens soll das Verhältnis von Zeitbedarf und Zeitressourcen politischer Repräsentant_innen untersucht werden. Dahinter steht die moderneanalytisch begründete Hypothese, dass Entscheidungsprobleme in der Spätmoderne komplexer und zeitaufwändiger werden, weil demokratische Prozesse nur beschränkt beschleunigungsfähig sind, während die Zeitressourcen der politischen Entscheider aufgrund exogener Dynamisierungsprozesse schrumpfen. Wir nehmen an, dass im Haushalt des politischen Systems ein enormes Zeitdefizit entsteht, das die Handlungsfähigkeit der Demokratie gefährdet.Drittens wird analysiert, wie politische Akteure und Institutionen auf dieses Temporalgefälle reagieren. Hier lautet unsere Hypothese, dass politische Integrations- und Steuerungsprobleme in erster Linie durch die Herausbildung hybrider Organisationen und den Aufbau außerparlamentarischer Netzwerke bekämpft werden.Zur empirischen Überprüfung dieser Thesen erheben wir Daten in einer Basisorganisation des politischen Systems (Deutscher Bundestag) sowie in vier Hybridorganisationen, die sich an der Schnittstelle zwischen Politik und gesellschaftlicher Umwelt herausgebildet haben (Europäischer Stabilisationsmechanismus, Deutscher Ethikrat, Greenpeace, Bundespressekonferenz). Hierbei werden vier Erhebungsinstrumente eingesetzt, die sich wechselseitig kontrollieren und ergänzen: egozentrierte Netzwerkanalysen, Experteninterviews, Dokumentenanalysen und teilnehmende Beobachtungen. Das Projekt will damit die gesellschaftstheoretische Analyse sozialer Zeitverhältnisse vorantreiben und einen konstruktiven Beitrag zum Verständnis der spätmodernen Herausforderungen westlicher Demokratien leisten.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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