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Theoriearbeit. Geschichte einer epistemischen Praxis, 1960 - 1990
Antragsteller
Professor Dr. Philipp Felsch
Fachliche Zuordnung
Wissenschaftsgeschichte
Förderung
Förderung von 2013 bis 2018
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 231315392
In den Geisteswissenschaften, aber auch außerhalb der Universität hat das, was seit den 1960er Jahren im Kollektivsingular "Theorie" heißt, eine beispiellose Konjunktur erlebt - von Kritischer Theorie über Marxismus und (Post-)Strukturalismus bis zu den Medien- und Systemtheorien der 1980er Jahre. Doch inzwischen scheint das Genre im Zeitalter seiner Historisierbarkeit angelangt. Nach einem Jahrzehnt emphatischer Theoriearbeit haben sich die Kulturwissenschaften spätestens seit der Jahrtausendwende auf empirische Fallstudien zurückbesonnen, favorisieren die "Wirklichkeit" und deren erzählfreudige Rekonstruktionen. Und während die Theorie-Konjunktur auch auf dem Buchmarkt merklich abflaut, haben führende bundesrepublikanische Theorieverlage wie Suhrkamp und Merve ihre Materialien den Archiven übergeben.Ausgehend von dieser Diagnose beabsichtigt das hier vorgeschlagene Projekt, eine Geschichte der Theorie zwischen 1960 und 1990 zu erarbeiten. Ein klassisch ideengeschichtlicher Ansatz wird diesem Vorhaben kaum gerecht werden können. Stattdessen knüpft das Projekt an eine jüngere Wissenschaftsgeschichte an, die am Modell der laboratory studies gelernt hat, auf die Praktiken, Institutionen und Medien von Wissen zu schauen: Um die Konjunktur des Theoriephänomens zwischen Suhrkamp- und Merve-Kultur, zwischen Paris und Berlin, zwischen Universität und Gegenkultur zu verstehen, rücken weniger die Texte als ihre Entstehungsbedingungen in den Mittelpunkt, sind die Inhalte weniger maßgeblich als die Intensität ihrer historischen Gebrauchsweisen. Das Projekt zielt daher - in Abwandelung eines Wortes Alexander von Humboldts - darauf ab, "das Schweben über den Theorien" zu praktizieren, um aus der Vogelperspektive den Kollektivsingular "Theorie" seit den 1960er Jahren in den Blick zu bekommen. Welche epistemischen und politischen Motive liegen der Theorie-Konjunktur zugrunde? War Theorie notwendig, um eine rasch expandierende Verlags- und Universitätslandschaft zu bespielen? Welche Lektürepraktiken bildete sie aus? Welche Rolle spielten Theorieverlage und -zeitschriften? Und wie etablierte und veränderte sich Theorie als Genre zwischen Wissenschaft, Philosophie, Literatur und Kunst? Solche und ähnliche Fragen sollen anhand von zwei quellengesättigten Fallstudien untersucht werden.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen