Geschichte im Film ist omnipräsent und erfreut sich größter Beliebtheit bei den Zuschauer*innen. Dieser Trend wurde und wird von der Geschichtswissenschaft kritisch betrachtet, da solche Filme vermeintlich ein zu einfaches und einseitiges Bild von Vergangenheit entwerfen. Die Kritik am Inhalt verknüpft sich häufig mit der Sorge, Mediennutzer*innen könnten diese Bilder eins zu eins verinnerlichen und bestehende „Geschichtsbilder“ könnten auf diese Weise problemlos verändert oder gar überschrieben werden. Gleichzeitig war und ist über den tatsächlichen Umgang von Zuschauer*innen mit filmischen Geschichtsdarstellungen wenig bekannt. Das Projekt "Vom Zeitzeugen zum professionellen Schauspieler" setzte an dieser Stelle an. Es fragte danach, wie genau Zuschauer*innen „Geschichte im Film“ begegnen und mit ihr interagieren. Auf der Suche nach Antworten setzte das Projekt auf einen innovativen Methodenmix, in dem Ansätze aus der Geschichts-, Film-, Sozial-, der Medien- und Kommunikationswissenschaft integriert wurden. So konnten die Spezifika audiovisueller Inszenierungen und das Handeln der Rezipient*innen gleichermaßen in den Blick genommen werden. Die Handlungsweisen der Zuschauer*innen, angefangen von simplen Modifikationen am Filmskript bis hin zu komplexen Erlebnisformen wie Identifikation und Empathie, mit filmischen Geschichtsdarstellungen wurden umfänglich beschrieben und systematisiert. Der Umgang mit filmischen Geschichtsangeboten durch ihre Rezipient*innen stellte sich dabei als höchst individuell und facettenreich dar. Das Projekt konnte rund 70 Modi von Handlungspraktiken, von anschließenden Mechanismen und Phänomenen der Rezeption sowie deren Folgen und Effekte herauspräpapieren. Die Rezipient*innen selegieren, verändern und fokussieren die Angebote in Abhängigkeit von ihren eigenen Erfahrungen und vor allem vor den Horizonten ihres historischen Wissens, das sie in die Rezeption einbringen. Diese Faktoren prägen den Rezeptionsprozess stärker als das mediale Angebot selbst. Unterschiede zwischen den Filmgattungen des Spielfilms und der Dokumentation fallen dabei fast gar nicht ins Gewicht. Das historische Wissen der Rezipient*innen lässt sich dabei auch nicht durch intensives Erleben oder Empathie ins Wanken bringen. Keine der Rezipient*innen hat sich durch einen Film wider eigenen, "besseren Wissens" von etwas anderem „überzeugen“ lassen. Dies gilt auch für historisches Wissen, das im Widerspruch zur etablierten Geschichtsschreibung steht. Die Sorge, Filme zu historischen Themen könnten die Vorstellungen der Rezipient*innen von der dargestellten Vergangenheit maßgeblich prägen oder sogar umprägen, ist unbegründet. Filme können jedoch bestehendes Wissen bestätigen und verfestigen. Die kritische Auseinandersetzung steht und fällt dabei nicht nur mit dem historischen Wissen des Publikums, sondern auch mit dem Willen oder der Entscheidung, dieses nutzen zu wollen. Filme mit historischem Inhalt sind nicht nur Geschichtsdarstellungen, sondern auch Filme, die der Unterhaltung dienen – und in diesem Sinne interagieren die Mediennutzer*innen mit ihnen. Ob die dargestellte Vergangenheit 'historisch gelesen und verstanden' wird, liegt im Ermessen der Rezipient*innen. Das „Historische“ im Film ist im Prozess der Rezeption de facto eine Option des Publikums.