Pilotstudie zur Evolution jungpaläozoischer Insekten im Souss-Becken, Marokko
Final Report Abstract
Die Insekten-Biostratigraphie hat sich als präziseste Methode zur Gliederung und Korrelation des kontinentalen späten Oberkarbon und frühen Perm in Europa und Nordamerika bewährt. Sie beruht auf der zeitlichen Abfolge von Farbmustern in den Flügeln schabenartiger Insekten, den Spiloblattiniden. Diese werden als Leitfossilien zur Definition der Insekten-Zonen benutzt. Paläobiologische u. evolutionsbiologische Grundfragen sind bisher jedoch völlig offen geblieben. Diese betreffen zugrunde liegende Evolutionsprozesse, die Arealdynamik von Gattungen u. Arten in Euramerica (Paläobiogeographie, Migrationsmuster) sowie die Palökologie der Spiloblattiniden, d.h. ihre Bezüge zur gesamten Entomofauna und zur Flora. Im Projekt, einer Pilotstudie zu einem künftigen größeren Projekt, wurde das 1.200 m mächtige, an schabenartigen Insekten ungewöhnlich reiche Karbon-Profil des Souss-Beckens im Hohen Atlas von Marokko darauf geprüft, ob es geeignet ist, Antworten auf diese Fragen zu finden. In die Untersuchungen war ein marokkanischer PhD-Student im Rahmen eines Stipendiums des Deutschen Akademischen Austausch-dienstes eingebunden. Wir gelangten zu folgenden Erkenntnissen: Die Änderungen der Spiloblattiniden-Farbmuster sind ein kontinuierlicher Prozess im Sinne von "phylogenetic Evolution" in Chronoclinen (Zeitreihen) einzelner Formen. Die Isochronie der Farbmuster in den europäischen Vorkommen und ein von Europa über Nordamerika bis Nordafrika reichendes Gattungs- und Artenareal der Blattodea wird durch die Phyloblattiden unterstützt. "Phyloblatta occidentalis" ist die häufigste Art dieser Gattung im Souss-Becken. Damit ergibt sich ein Verbreitungsareal von Nordamerika über Marokko bis Europa im Stephanian, d.h. im späten Oberkarbon. In einem neuen Fundhorizont des Souss Beckens konnte zum ersten Mal und relativ häufig die "Anthracoblattina ensifera-gigantea"-Gruppe nachgewiesen werden. Die Verbreitung der Gattung "Anthracoblattina" erstreckt sich ebenfalls über den gesamten euramerischen Raum und ist durch unsere Untersuchungen jetzt auch aus dem Paranabecken in Brasilien, also aus Gondwana, bekannt. Die im Verlaufe des Projektes neu entdeckten Fundhorizonte und eine Fundzahl von ca. 700 Insektenresten ergeben, dass die Souss Entomofauna mit Phyloblattiden, Compsoblattiden, Spiloblattiniden, Poroblattiniden und Mylacriden kompositionell mit euramerischen Entomofaunen identisch ist, aber auch Spezifika zeigt, die sich auch in den fossilen Makrofloren wiederspiegeln. Makroflorenreste treten häufiger zusammen mit Stigmarien-Wurzeln und Calamiten-Stämmen in partiell palustrinen Sedimenten, also an feuchten bis übernässten Standorten auf. In den Seesedimenten des Souss-Beckens und in den erstmals entdeckten Hochflut-Tümpeln der Flussauen dominieren meso- bis xerophile, also trocken-adaptierte Koniferen. Gleichartige Häufigkeitsverteilungen von feucht- oder trockenadaptierten Formen zeigen sich auch bei den fossilen Insekten. Ein 2015 entdeckter Fundhorizont lieferte exzellent erhaltene Insekten aus verschiedenen Ordnungen, die das Bild von einer Blattiden-dominierten zu einer höher diversen Entomofauna verändern. Die Insekten sind auf Mikrobenmatten erhalten und stellen so einen neuen Typ der Fossilisation dar. Zudem gelangen weitere überraschende Fossilfunde, so die bisher ältesten Süßwasser-Medusen, eine bisher ausschließlich aus Nordamerika bekannte Farnsamer-Art und vor allem zahlreiche Fährten von großwüchsigen Amphibien und Reptilien-ähnlichen Sauriern. Insgesamt erscheint es so, dass das Souss Becken an der Südflanke der Varisziden ein evolutionärer "hot spot" für Tiere und Pflanzen gewesen sein könnte.
Publications
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