Narrative Schreibkompetenzentwicklung in der Grundschule (NaSch1-4)
Final Report Abstract
Das Ziel des Forschungsprojekts bestand in der empirisch-quantitativen Analyse der Schreibfähigkeiten von Schüler/-innen im Anfangsunterricht, für deren Erklärung individuelle, familiäre und insbesondere unterrichtliche Bedingungsfaktoren herangezogen wurden. Die durchgeführten Arbeiten lassen sich grob in drei Themenkomplexe gliedern: (1) Bestimmung und Analyse der Qualität und der Leserlichkeit von 540 Schülertexten (Briefe) der ersten Jahrgangsstufe, (2) Auswertung des videografierten Schreibunterrichts mit den drei Phasen der Aufgabenstellung, Schülerarbeitsphase und Reflexionsphase sowie (3) Analysen zum Zusammenhang zwischen den Schreibfähigkeiten der Erstklässler/-innen und unterrichtlichen Bedingungen sowie weiteren individuellen und familiären Merkmalen der Schüler/-innen. In den Themenkomplexen (1) und (2) stand die Entwicklung geeigneter Messinstrumente im Fokus, anhand derer die Schreibfähigkeiten der Kinder, die Leserlichkeit der Handschrift und die unterrichtliche Prozessqualität erfasst wurden. Dabei erfolgten die Modellierung und Operationalisierung der Schreibkompetenz, der Leserlichkeit der Handschrift sowie der unterrichtlichen Prozessvariablen auf Basis fachdidaktischer Grundlagen, die mit psychometrischen Anforderungen an die Messung verbunden wurden. Für die Bestimmung der Textqualität und die Entwicklung geeigneter Kriterien stellte der geringe Umfang der Texte (M = 17.5 Wörter; SD = 9.59) eine Herausforderung dar. Die Auswertung der Prozessvariablen des Schreibunterrichts anhand von 49 Unterrichtsvideos erwies sich als enorm zeit- und ressourcenintensiv (insbesondere die Schreibphase mit bis zu 190 Lehrer-Schüler-Interaktionen, die differenziert analysiert wurden). Die Ergebnisse zeigen, dass bereits Schreibanfänger/-innen inhaltlich wie sprachlich kohärente Texte verfassen und funktional-pragmatische Schreibfähigkeiten entfalten können. Es konnte eine zweidimensionale Struktur der Schreibkompetenz nachgewiesen werden, die bislang überwiegend bei schreiberfahreneren Schüler/-innen vorgefunden wurde. Mit dem Nachweis einer sprachsystematischen und einer semantisch-pragmatischen Subdimension sind die Aufmerksamkeit und mentalen Ressourcen der Schreibanfänger/-innen nicht nur auf technisch-handwerkliche Schreibfertigkeiten reduziert, sondern bieten tendenziell auch Kapazitäten für höherrangige Prozesse der Ideenentwicklung und -strukturierung sowie der sprachlichen Gestaltung. Die Leserlichkeit der Handschrift als ein Merkmal des Produkts graphomotorischer Fähigkeiten weist in der ersten Jahrgangsstufe nur einen mäßigen Zusammenhang mit der Textqualität auf, wohingegen die orthographischen Fähigkeiten der Erstklässler/-innen einen guten Indikator für die Qualität der Texte darstellen. Die Analysen zum Zusammenhang zwischen Schreibfähigkeiten und Unterricht zeigen, dass insbesondere eine evaluative Lernunterstützung sowie das Benennen der korrekten Lösung signifikant positiv auf die Schreibleistung wirken. Da die Lösungsvorgabe in der Stichprobe vor allem bei orthographischen Problemen der Schüler/-innen sowie bei schreibstrategischen Unterstützungen erfolgt, vermag dies eventuell den technischen Schreibprozess zu entlasten und die Kapazitäten zur Ideengenerierung und sprachlichen Gestaltung zu erhöhen. Hinweise, die durch die Anregung von Denkprozessen als dezidiert kompetenzförderliche Form von Lernunterstützungen gelten, weisen dagegen keinen unmittelbaren Zusammenhang mit der Textqualität auf. Eine präzise und verständlich formulierte Aufgabenstellung besitzt ebenfalls einen signifikant positiven Effekt auf die Schreibleistung. Dieses Ergebnis steht in Konsens zu Studien, die als Merkmale dieser Facetten Klarheit und Strukturiertheit als entscheidende Qualitätsmerkmale guten Unterrichts hervorheben. Eine präzise formulierte Aufgabenstellung wird in den vorliegenden Analysen an einer exakten Erläuterung des Adressaten, des Absenders und der Textsorte deutlich, was zum Verständnis des Arbeitsauftrags und zur Klarheit der Unterrichtsgestaltung beiträgt. Das nachgewiesene Schreibpotenzial der Erstklässler/-innen sollte von Lehrkräften im Anfangsunterricht wahrgenommen und durch zielführende, klare Aufgabenstellungen sowie durch individuelle Hilfestellungen während des Schreibprozesses gefördert werden. Damit geht eine aktive, strukturierende Rolle der Lehrperson einher, die insbesondere in Form evaluativer Unterstützungsformen die Schüler/-innen während des Schreibens sinnvoll fördern kann.
Publications
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