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Das frühvölkerwanderungszeitliche Kammergrab von Poprad, Slowakei - Ein interdisziplinäres Forschungsprojekt zur Auswertung eines außergewöhnlichen Fundes

Antragstellerin Dr. Nina Lau
Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung von 2012 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 221507969
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Forschungsprojekt befasst sich mit einem Grabfund aus der Nordost-Slowakei, der sich durch die hervorragende Erhaltung organischer Materialien auszeichnet. Das Projekt ist sehr interdisziplinär aufgestellt und fußt auf zahlreichen unterschiedlichen Einzelanalysen. Basis für alle Untersuchungen war eine Ausgrabung und Dokumentation von Blockbergungen, die vor allem gut erhaltene Textilien und Lederfunde beinhalteten, die im frühvölkerwanderungszeitlichen Mitteleuropa bislang beispiellos sind. Für die Blockbergungen wurden strategisch Dokumentations- und Beprobungsverfahren entwickelt, die als Standardverfahren für die Bearbeitung ähnlicher Funde gelten können. Das Grab von Poprad-Matejovce zeichnet sich durch zwei vollständig erhaltene, hölzerne Grabkammern aus Lärchenholz, konstruiert in Blockbau- und Ständerbauweise und Mobiliar sowie Reste der Ausstattung und Kleidung aus organischem Material (Textilien, Leder) aus. Die Erforschung des Grabes betrifft einerseits die Konstruktion der Grabkammern mit Diskussion frühgeschichtlichen Holzhandwerks sowie Vorbilder für die Kammerkonstruktionen (aus dem späten Römischen Reich). Auch das gedrechselte Mobiliar, bestehend aus einer aufwändig gefertigten, repräsentativen Totenliege aus Eibe und einem großen Becken aus Pappelholz, weist deutlich auf Tischsitten im Römischen Reich und zeugt von einem professionellen Drechslerhandwerk. Alle Hölzer wurden vor der Konservierung in 3D-gescannt und konnten nun mittels Geographischem Informationssystem sowie Einbindung in 3D-Software zusammengesetzt und digital dreidimensional rekonstruiert werden. Das Einfließen aller Informationen zum Grab in einem Geographischen Informationssystem - von den 4,20 m langen Balken der äußeren Grabkammer bis hin zu nur millimetergroßen Textilfasern - macht es möglich, dass neben dem Befund selber und der originalen Fundlage auch nahezu alle Vorgängen des Grabbaus und der Bestattung, der Ausstattung mit Beigaben und Mobiliar sowie der späteren Graböffnung und natürlicher Vorgänge wie Überschwemmungen im Detail nachvollzogen werden können. Diese Rekonstruktionen sind von einer Genauigkeit, wie sie sonst bei vergleichbaren Befunden kaum zu finden sind. Die frühgeschichtliche Öffnung (Beraubung) des Grabes, nicht lange nach der Beisetzung, kann durch die genaue Lageanalyse der sekundär verlagerten Fundobjekte und der von den Grabräubern zurückgelassenen Schaufeln, Äxten und Fackeln Schritt für Schritt nachvollzogen werden und zeugt von einer systematischen und gut organisierten Vorgehensweise. Weitere Untersuchungen beschäftigten sich - neben den archäologischen Auswertungen der Kleinfunde und der Keramik sowie der Grabkammern und des Mobiliars - mit Fragen nach den Herstellungsarten und der Funktion der verschiedenen Textilien, den verwendeten Materialien und Farben sowie Farbstoffen, der naturwissenschaftlichen Datierung mittels Dendrochronologie und C14-Datierungen, den Analysen der menschlichen und tierischen Knochen sowie der Käferreste, Analysen zur Herkunft des Toten und seiner Beigaben durch Strontiumisotopen- und DNA-Analysen. Die aus gefrorenen Blockbergungen im Labor unter dem Mikroskop freigelegten Textilien und Lederbesätze von Kleidung weisen Verzierungen, Farben und Muster auf, wie sie bisher für diese Zeit aufgrund der schwierigen Erhaltungsbedingungen für organische Materialien nicht bekannt waren. Ihre Rekonstruktion trägt zur Diskussion völkerwanderungszeitlichen Textilhandwerks bei und bietet neue Informationen zur Ausstattung hochrangiger Gräber dieser Zeitstellung. Die gemeinsame Auswertung aller Ergebnisse der verschiedenen fachlichen Disziplinen ergibt ein detailliertes Bild des Befundes und seiner Hintergründe. Überraschend war, welchen großen Beitrag die interdisziplinären Untersuchungen und die enge Zusammenarbeit verschiedener Wissenschaftler/innen zum Grab von Poprad auch zur Grundlagenforschung verschiedenster Fachdisziplinen geleistet haben. Das Grab von Poprad fand großen Anklang vor allem in den slowakischen Medien - dies ist vor allem der Ausstellung der Möbelteile geschuldet, die unter enger Zusammenarbeit des Museums in Poprad sowie des ZBSA entstand und im Juli 2013 in Poprad eröffnet wurde. Darunter sind mehrere Zeitungsberichte, aber auch Fernsehbeiträge und Radiointerviews zu nennen. Alle Untersuchungen sollen im Rahmen einer mehrbändigen Monographie unter gemeinsamer Herausgeberschaft des Zentrums für Baltische und Skandinavische Archäologie in Schleswig und des Archäologischen Instituts der Slowakischen Akademie der Wissenschaften in Nitra publiziert werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Das spätantike Kammergrab von Poprad-Matejovce – Repräsentation von Status und Luxus im Tode. In: M. Tellenbach/R. Schulz/A. Wieczorek (Hrsg.), Die Macht der Toga. Dresscode im römischen Weltreich [Begleitband zur Ausstellung »Die Macht der Toga – Mode im römischen Weltreich« im Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim vom 20.04. bis zum 08.09.2013] (Regensburg 2013) 215–219
    T. Štolcová/N. Lau
  • Early Migration Period Textile and Leather Finds from the Chieftain’s Grave in Poprad-Matejovce: Discovery, Retrieval and New Results of the Laboratory Examination. In J. Banck-Burgess/C. Nübold (Hrsg.), The North European Symposium for Archaeological Textiles XI (Rahden/Westf. 2013) 85–92
    T. Štolcová/G. Zink
  • Das Grab von Poprad-Matejovce in der Slowakei – Anlage, Konstruktion und Ausstattung eines frühvölkerwanderungszeitlichen Kammergrabes. In: A. Abegg-Wigg/N. Lau (Hrsg.), Kammergräber im Barbaricum – Zu Einflüssen und Übergangsphänomenen von der vorrömischen Eisenzeit bis in die Völkerwanderungszeit. Internationale Tagung, Schleswig, 25.–27. November 2010. Schr. Arch. Landesmus. Ergr. 9 (Neumünster/Hamburg 2014) 343–364
    N. Lau/K. Pieta
  • Textile finds from a chieftain’s grave. Preliminary report from Poprad-Matejovce, Slovakia. Archaeological Textiles Newsletter 56, 2014, 50–59
    T. Štolcová/D. Schaarschmidt/S. Mitschke
  • Slowakei. Textilfunde aus einem frühvölkerwanderungszeitlichen Fürstengrab – Ein Zwischenbericht. Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen, Jahrgang 35, Heft 2, 2015, 199-204
    T. Štolcová/D. Schaarschmidt/S. Mitschke, Poprad-Matejovce
 
 

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