Servohydraulisches Prüfzentrum
Final Report Abstract
Die neu beschaffte servohydraulische Hochgeschwindigkeitsprüfanlage nimmt einen zentralen Platz in der Forschungsausrichtung des crashgerechten Leichtbaus am Lehrstuhl für Konstruktionstechnik ein. Für eine simulative Absicherung der Produkteigenschaften struktureller Bauteile in hochdynamischen Lastszenarien wie Crashfällen reichen durch statische Versuche gewonnene Materialdaten häufig nicht aus. Stattdessen müssen Kennwerte wie Festigkeit oder Bruchdehnung unter erhöhten Dehnraten ermittelt werden. Dies wird durch Versuche auf der genannten Anlage bewerkstelligt. Ein wesentlicher Fokus der wissenschaftlichen Arbeiten im Zusammenhang mit der Prüfanlage liegt vorwiegend im Bereich der faserverstärkten Kunststoffe. So wurde ein Verfahren der komplexitätsreduzierten Materialmodellierung zur rechenzeiteffizienten Simulation kurzfaserverstärkter Spritzgussbauteile entworfen, mit dem neben der im Werkstoff vorliegenden Anisotropie auch dehnratenabhängige Effekte berücksichtigt werden können. Dazu werden die einzelnen Integrationspunkte über die Dicke eines Schalenelements alternierend mit verschiedenen, einfachen Materialmodellen belegt, die das makroskopische Werkstoffverhalten der verstärkten Thermoplaste abbilden. Durch Zugversuche mit verschiedenen Abzugsgeschwindigkeiten wird zunächst das Materialverhalten bei verschiedenen Belastungsgeschwindigkeiten untersucht. Eine Erhöhung der Dehnrate bedingt im Allgemeinen eine Verringerung der Bruchdehnung und Steigerung der ertragbaren Spannung der faserverstärkten Thermoplaste. Die optische Auswertung anhand der Hochgeschwindigkeitsaufnahmen liefert Spannungs-Dehnungs-Dehnraten-Kurven, die die o. g. Effekte quantifizieren und die Grundlage der Parameteridentifizierung für die Materialmodelle bilden. Zur Validierung des Modellierungsverfahrens wird ein bereits am Lehrstuhl vorhandener Fallturm eingesetzt. Zur Auswertung der Fallturmexperimente wird das neu beschaffte Kamerasystem eingesetzt. Mit Hilfe der Hochgeschwindigkeitsaufnahmen können Aufprallgeschwindigkeit und Eindringtiefe des Impaktors sowie die Deformation des Prüflings gemessen werden. Das beschriebene Modellierungsverfahren wurde exemplarisch für einen zu 30 % mit Kurzglasfasern verstärkten Polybutylen-Blend (PBT) ausgearbeitet und validiert. Die Vorgehensschritte sind analog auf gleichartige, kurzfaserverstärkte, thermoplastische Werkstoffe übertragbar. Im BMBF-geförderten Projekt REAL4HYBRID - Rechnergestützte Auslegung von Fügeverbindungen an Aluminium/CFK-Hybridstrukturen - konnte eine vereinfachte Simulationsmethode für Klebeverbindungen aufgebaut werden, die den erforderlichen Berechnungs- und Modellierungsaufwand durch den Einsatz von Metamodellen wesentlich reduzieren kann. Zielsetzung war die Bereitstellung eines Simulationsverfahrens zur einfachen und schnellen, aber dennoch qualitativ hochwertigen Abbildung des Verhaltens von Klebeverbindungen in frühen Phasen der Produktentwicklung. Anstelle einer detaillierten Abbildung der Klebefläche mit Volumenvernetzung werden Kontaktelemente eingesetzt, die Informationen über Kontaktstatus und Kontaktsteifigkeit aus der Datenbasis des Metamodells beziehen. Zur Bildung dieses Metamodells ist eine umfangreiche Charakterisierung der Klebeverbindungen auf der Hochgeschwindigkeitsprüfanlage erforderlich. Untersucht werden verschiedene Versuchsgeschwindigkeiten von quasistatischen Belastungen bis hin zu Crash-Lastfällen, überlagerte Zugund Schubspannungszustände in der Klebefuge sowie Prozessparameter wie die Schichtdicke des Klebstoffs, verschiedene Oberflächenbehandlungen des Aluminiums und Faserorientierungen bzw. Laminataufbauten des CFK. Weiterhin wird der Einfluss der Temperatur auf die Verbindungsfestigkeit untersucht. Zu diesem Zweck wurde die bestehende servohydraulische Prüfanlage um eine vollständig in den Prüfraum integrierte Temperaturkammer erweitert. An die im Experiment ermittelten Kraft-Verschiebungs-Kurven wird ein detailliertes Simulationsmodell kalibriert, das eine dichtere Abdeckung des Parameterraumes als im Experiment erlaubt. Zudem können einige, im Versuch nur in diskreten Stufen betrachtete Parameter wie die Faserorientierung des CFK in der Simulation kontinuierlich variiert werden. Dies liefert weitere Stützstellen für das Metamodell und verbessert damit dessen Prognosefähigkeit. Die Methode Charakterisierungsexperiment – Detailsimulation – Metamodell ist auf weitere Fügeverfahren wie Niet- oder Schraubenverbindungen übertragbar.
Publications
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