Unter Einsatz geoarchäologischer, geophysikalischer und archäologischer Methoden erfolgte im Rahmen des Ostseehafen-Projektes eine systematische und interdisziplinäre Erforschung der Hafenstrukturen früh- und hochmittelalterlicher Seehandelsplätze zwischen der Wismarer und der Danziger Bucht. Geländearbeiten fanden in Groß Strömkendorf, Rostock-Dierkow, Ralswiek, Usedom, Kamień Pomorski, Bardy/Świelubie und Puck statt. Die Untersuchungen führten zu zahlreichen neuen Ergebnissen zur Landschafts- und Siedlungsgeschichte der einzelnen Untersuchungsräume. Für das Untersuchungsgebiet zeichnen sich klare Muster der Standortauswahl ab. Es wurden für die Anlage von Landeplätzen und Häfen geschützte Lagen in Buchten oder Boddengewässern bzw. an Flussläufen bevorzugt, während die dazugehörige Siedlung in der Regel in unmittelbarer Nähe auf erhöhten Standorten angelegt wurde. Die Landestellen und Uferränder wurden zum Teil durch hölzerne Einbauten stabilisiert (Rostock- Dierkow, Groß Strömkendorf, Usedom), die Zuwegung zwischen Hafen und Siedlung häufig systematisch im Rahmen größerer Infrastrukturmaßnahmen ausgebaut und befestigt (Rostock- Dierkow). Sofern Gräberfelder bekannt sind, liegen sie meist in erhöhter Lage und boten einen Blick über den Handelsplatz und Landeplätze bzw. Hafen. Die geologischen und geophysikalischen Untersuchungen konnten auf nahezu allen Fundplätzen Erkenntnisse zur Landschaftsgenese und zum Landschaftswandel erzielen und diese durch Radiokarbondatierungen teilweise auch absolut datieren (Rostock-Dierkow, Groß Strömkendorf, Usedom, Ralswiek, Bardy/Świelubie). Topographische und verkehrsgeographische Gesichtspunkte haben somit nicht nur bei der Wahl eines Standortes für die Gründung eine zentrale Rolle gespielt, sondern dürften zudem für ihren Ausbau beziehungsweise für ihren Niedergang von großer Bedeutung gewesen sein. Insbesondere für die Plätze Rostock-Dierkow, Usedom, Ralswiek und Bardy/Świelubie kann nunmehr eine erste Rekonstruktion der Landschaftsgeschichte erfolgen, in deren Rahmen auch Aussagen zu den topographischen Vorrausetzungen und zur Lage der mutmaßlichen Hafenareale möglich sind. Alle Plätze lagen in natürlichen Gunstlagen mit unmittelbar anschließenden offenen Wasserflächen und verfügten über einen direkten Zugang zur Ostsee: kleine Buchten (Rostock- Dierkow, Puck, Kamień Pomorski, Groß Strömkendorf), Seen (Usedom), Boddengewässer (Ralswiek) und Flüsse (Bardy/Świelubie). Die Abhängigkeit der Siedlungskomplexe von paläogeographischen Prozessen ist zudem auch deutlich im archäologischen Befund erkennbar, so führen Verlandungsprozesse (Rostock-Dierkow, Ralswiek), Veränderungen des Wasserspiegels (Usedom) oder mehrfache Hochwasserereignisse (Ralswiek) zu umfangreichen Ausbau- und Infrastrukturmaßnahmen innerhalb der Siedlungen und wohl auch der Häfen. Für Świelubie ist anzunehmen, dass die hohe Dynamik der Parsęta ein Grund für die Aufgabe der Siedlung gewesen sein könnte. Für Rostock-Dierkow, Groß Strömkendorf, Usedom und Bardy/Świelubie kann auf Grundlage des derzeitigen Kenntnisstandes die Lage der Hafenareale bzw. Landestellen auf bestimmte Areale eingegrenzt werden. Damit wurden grundlegende Voraussetzungen für zukünftige Untersuchungen zur Lokalisierung und weiteren Erforschung der Häfen geschaffen. Für Ralswiek wurde die Interpretation einer natürlichen, schiffbaren Verbindung westlich des Handelsplatzes durch geologische und geophysikalische Untersuchungen überprüft und ausgeschlossen. Allerdings kann aufgrund der hydrologischen Verhältnisse bereits für das frühe Mittelalter von einem Graben ausgegangen werden, über den eine Entwässerung in den Bodden erfolgte. Die ergänzend durchgeführten Untersuchungen konnten jedoch keinen Nachweis auf Schiffseinfahrten oder Molen erbringen. Der Hafen dürfte deshalb im Boddenseitigen Bereich des Siedlungsplatzes gelegen haben. In Rostock-Dierkow kann dagegen das Hafenareal eindeutig westlich des Primelberges im Bereich einer kleinen natürlichen Bucht lokalisiert werden. Dort lassen sich für das späte 8. Jahrhundert steg- bzw. bohlenwegartige, auf einen Warnowzufluss ausgerichtete Konstruktionen nachweisen, die durch Landgewinnungsmaßnahmen in Form von massiven Flechtwerkmatten ergänzt wurden. Die im 8. Jahrhundert beginnende Verlandung der Bucht führte somit zur Verlagerung von Hafen und Siedlung in Richtung des heute als Hechtgraben erhaltenen Warnowzuflusses, wie dort dokumentierte Pfostenkonstruktionen ebenfalls belegen. Für die submarinen Hafenareale von Groß Strömkendorf und Puck konnten durch die geophysikalischen und geologischen bzw. geophysikalischen Untersuchungen ebenfalls zahlreiche neue Erkenntnisse zur Lage und Ausdehnung der einzelnen Häfen gewonnen werden. Die Ergebnisse zu Puck werden durch das geophysikalische Zentralprojekt vorgestellt. Die Häfen waren somit – wie die Untersuchungen zeigen konnten – als Schnittstellen zwischen Wasser und Land sowohl ökologischen, ökonomischen als auch technologischen Entwicklungen ausgesetzt, zentrale Bedeutung besaß zudem – erkennbar in massiven Infrastrukturmaßnahmen – die Wechselbeziehungen zwischen Handelsplatz und Hafen. Ohne Zweifel waren die Häfen damit Kernelemente der Emporien und von größter Bedeutung für das Bestehen und Wirken der Handelsplätze.