Boreinbau in Galliumphosphid und Galliumindiumphosphid: Quantenchemische Untersuchungen zu Bildung, Stabilität sowie strukturellen und elektronischen Eigenschaften der Mischkristalle
Physikalische Chemie von Festkörpern und Oberflächen, Materialcharakterisierung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Für die Beurteilung potentieller Nutzungsmöglichkeiten ternärer BGaP- bzw. quaternärer BGaInP-Mischkristalle für elektronische und optoelektronische Anwendungen sind grundlegende Kenntnisse sowohl über strukturelle und elektronische Eigenschaften der Mischkristalle in Abhängigkeit vom Fremdatomsubstitutionsgrad als auch über Wachstumsmechanismen (MOVPD) und optimale Wachstumsbedingungen erforderlich. Um einen Zugang zu den Wachstumsmechanismen zu erhalten, wurden Wachstumskerne (Oberflächenstufen) durch molekulare Clusterausschnitte modelliert und Elementarreaktionen der MOVPD-Prozesse mit üblichen Precursormolekülen (XH3 und XMe3, X = Ga, P, In, B) quantenchemisch untersucht (DFT-Berechnungen). Methylprecursormoleküle dienen als Modellsubstanzen für Alkylprecursormoleküle. Geschwindigkeitsbestimmender Schritt für die Abscheidung aller X-Elemente ist die Entfernung der Restgruppen (H, CH3). Wasserstoffprecursorspezies sollten bevorzugt werden, da diese in allen Fällen zu niedrigeren Aktivierungsbarrieren für die Restgruppenentfernung führten. Im Falle der Borabscheidung kann es jedoch bei Verwendung von BH3 zur Ausbildung einer unerwünschten Borphase kommen, die bei Verwendung von BMe3 verhindert wird. Die Abscheidungsgeschwindigkeit der Kationen nimmt von Indium über Gallium zu Bor drastisch ab, so dass ein Boreinbau nur über die Wachstumsbedingungen (chemische Potentiale im Gasphasenreservoir) forciert werden kann. Eine Borabscheidung auf Phosphorpositionen („antisite“-Abscheidung) ist nicht wahrscheinlich. Um Aussagen zu optimalen Wachstumsbedingungen zu gewinnen, wurden GaP(001)-Oberflächenstrukturen durch periodische Superzellen modelliert und die Energiebilanzen der Substitution von Fremdatomen (B, In) in Abhängigkeit vom Substitutionsgrad und den Substitutionspositionen sowie von den Wachstumsbedingungen (chemische Potentiale im Reservoir) aufgestellt (DFT-Berechnungen). Aus den erhaltenen Oberflächenstabilitätsdiagrammen ergab sich, dass homogene InGaP-Mischkristalle am günstigsten unter P-reichen Bedingungen wachsen (gesamter Konzentrationsbereich zugänglich). Dagegen können sich unter In-reichen und nicht P-reichen Bedingungen unerwünschte Initialstrukturen von InGa-Legierungen bilden. Unter P-reichen und moderat bis stark B-reichen Bedingungen ist ein beschränkter Boreinbau in Galliumphosphid möglich. Durch Anwesenheit von Indium (Einbau von Bor in InGaP) kann nicht wie erwartet der Einbaugrad von Bor erhöht werden. Der isovalente Boreinbau ist unter allen Wachstumsbedingungen gegenüber dem „antisite“ Einbau bevorzugt. Strukturelle und elektronische Eigenschaften gewachsener Mischkristallstrukturen wurden über DFT-Berechnungen an periodischen Volumenstrukturen erhalten. Mischungsenthalpien und Freie Mischungsenthalpien wurden in Abhängigkeit vom Substitutionsgrad berechnet und daraus die Spinodalkurven ermittelt. Während InGaP-Mischkristalle für typische MOVPD-Temperaturen (600-800 0C) keine Mischungslücke aufweisen, wird für BGaP eine Mischungslücke zwischen 2 und 99% Bor gefunden. Quaternäre BInGaP-Mischkristalle haben die höchste Stabilität, wenn zwischen Bor und Indium ein Konzentrationsverhältnis von 1:2 besteht. Der Vergleich der stabilsten Fremdatomstrukturen im Volumen und an der Oberfläche zeigt, dass diese nicht identisch sind, so dass Umordnungsreaktionen im oberflächennahen Bereich während des Wachstums („annealing“) stattfinden. Um Aussagen zur Veränderung der Bandlücke durch Fremdatomsubstitutionen zu erhalten, musste zunächst eine Skalierungsprozedur der bei DFT-Berechnungen prinzipiell zu klein erhaltenen Energielücken gefunden werden, deren Vertrauenswürdigkeit durch den Vergleich mit bekannten Bandlückendaten einer Vielzahl binärer III-V-Halbleiter sowie von ternären GaxIn1-xP-Mischkristallen (x=0 bis 1) überprüft wurde. Beim Einbau von Bor in Galliumphosphid nimmt die Energielücke des indirekten Halbleiters kontinuierlich ab. Bei einem Substitutionsgrad von ca. 3% reduziert sich die Bandlücke um ca. 4% (ähnliche Größenordnungen werden für den Boreinbau in Indiumgalliumphosphid erhalten), was auf eine eher milde Beeinflussung der elektronischen Eigenschaften des Wirtskristalls durch den Einbau von Bor hindeutet; anders als beispielsweise beim Stickstoffeinbau in herkömmliche III-V-Halbleiter.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- „Boron and indium incorporation in GaP(001) surfaces by vapour deposition: Densityfunctional supercell calculations of the surface stability“, Surf. Sci.
A. Jenichen, C. Engler
(Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.susc.2009.06.003)