Realistische Bewertung des chemischen Angriffspotentials auf Betonbauwerke infolge Pyritoxidation durch Baumaßnahmen
Final Report Abstract
An deutschlandweit gewonnenen Locker- und Festgesteinen verschiedenen Alters (Ordovizium bis Tertiär) mit Pyritschwefelgehalten von mehr als 0,01 Gew.-% und unterschiedlich hohen anorganischen Kohlenstoffgehalten wurden Langzeitverwitterungsversuche, Schnellversuche mit dem starken Oxidationsmittel Wasserstoffperoxid und ein Laborsäulenversuch durchgeführt. Im Rahmen der Langzeitverwitterungsversuche konnten die Fällungsprodukte Gips und Eisenhydroxid sowohl bei makroskopischer Betrachtung als auch mittels REM und EDX eindeutig detektiert werden. Zudem erlaubte die hydrochemische Modellierung mit dem Programm PHREEQC die Nachbildung der ablaufenden Prozesse. Die Korngröße und somit auch die Durchlässigkeit der Gesteine sowie der Eisendisulfide scheinen im Gegensatz zum Pyritschwefelgehalt bei der Risikobewertung des Baugrunds eine eher untergeordnete Rolle zu spielen. Der sechsmonatige Laborsäulenversuch (Säulenlysimeter) zeigte, dass eine Eisendisulfidoxidatlon und die damit verbundene Säure- und Sulfatfreisetzung auch über eine Sauerstoffeindringtiefe von über einem Meter innerhalb von lediglich drei Monaten stattfinden kann. Dies entspricht in etwa dem Zeitraum zwischen dem Aushub und der Rückverfüllung des Bodens während einer Baumaßnahme. Im Rahmen der baustofftechnischen Untersuchungen an langzeitlich eingelagerten Betonprobekörpern in eisendisulfidhaltigen Lockergesteinen konnte festgestellt werden, dass unabhängig von den untersuchten Angriffspotentialen und der Betonzusammensetzung unter stationären Bedingungen charakteristische Korrosionszonen in der Betonrandzone entstehen. Unter einer Deckschicht aus Eisenhydroxiden wird der Zementstein der oberflächennahen Betonrandzone durch den lösenden Angriff in Gegenwart von Sulfat vollständig zu Gips und amorphem Si02 umgewandelt und entfestigt. Eine schmale Säureeindringfront aus amorphen Si-Al-Fe-Verbindungen bildet den Übergang zum alkalischen Betoninnern. Mit zunehmender Dauer und Sulfatkonzentration im Lockergestein intensivieren sich die Sulfatakkumulationen jenseits dieser Säureeindringfront im alkalischen Milieu. Infolgedessen bilden sich verstärkt die sekundären Sulfatphasen Gips und Ettringit, so dass ein ins Betoninnere voranschreitender Sulfatangriff vorliegt. Die Säureeindringfront wandert nahezu unabhängig von solchen tiefer gelegenen, sulfat-induzierten Gefügeschädigungen nur sehr langsam ins Betoninnere. Die Schädigungsmechanismen der Betone in den oxidierenden eisendisulfidhaltigen Lockergesteinen lassen sich auch in quasi-stationären Prüflösungen bei ähnlichen Angriffsgraden bzgl. pH-Wert und S04^2-Konzentration simulieren. Die Ergebnisse leisten daher einen Beitrag zu einem in der Fachwelt immer wieder kontrovers diskutierten Thema über die Übertragbarkeit von Laboruntersuchungen auf die realen Verhältnisse in-situ. Im Hinblick auf die untersuchten Bindemittel enwiesen sich HS-Zemente mit geringem Klinkeranteil (CEM Ill/A oder CEM l-HS+FA) am besten für den Einsatz in säure- und sulfatreichen Lockergesteinen geeignet. Die Ergebnisse bestätigen, dass Betone mit herkömmlichem Portlandzement oder Portlandkalksteinzement bei Sulfateinwirkung neben Gips auch zur Bildung von Ettringit und Thaumasit neigen, so dass diese Zemente als gänzlich ungeeignet für den Einsatz in eisendisulfidhaltigem Baugrund zu bewerten sind. Die Untersuchungen weiterer Betonparameter ergaben, dass sich erwartungsgemäß mit höherem Wasserzementwert der Korrosionsprozess bzw. Festigkeitsveriust unabhängig von der verwendeten Zementart beschleunigt. Überaschendenweise stellte sich eine Carbonatisierung der Betonrandzone während der Voriagerung als vorteilhaft für die Ausbildung stabiler Restschichten bei späterem Säure-Sulfat-Angriff heraus. Der Zementgehalt hat unter stationären Bedingungen keinen nennenswerten Einfluss auf die Kinetik der Korrosion. Auf Grundlage der voliiegenden Forschungsarbeiten lässt sich nun das Schädigungspotential von eisendisulfidhaltigem Baugrund auf angrenzende Betonbauteile unter intensiven Belüftungsverhältnissen realistisch beurteilen. Mit Hilfe des Schnellversuchs mit Wasserstoffperoxid konnte die im Langzeitvenwitterungsversuch erst nach mehren Monaten freigesetzten Sulfat- und Säuremengen rasch innerhalb weniger Stunden abgeschätzt werden. Dieses Schnellverfahren kann für die Abschätzung des Säure- und Sulfatfreisetzungspotentials eines Gesteins im Gelände als praxistauglich bewertet werden. In DIN 4030 werden in Abhängigkeit vom Belüftungsgrad des Lockergesteins Grenzwerte für den Sulfidgehalt (i.d.R. 0,1 M.-%, bei intensiver Belüftung 0,01 M.-%) vorgeschrieben, bei deren Überschreitung eine gesonderte Beurteilung des Angriffspotentials durch einen Fachmann erforderiich ist. Auf Grundlage der vorliegenden Ergebnisse stellt sich allerdings die Frage, unter welchen Belüftungsverhältnissen und -dauern überhaupt der höhere Grenzwert von 0,1 M. % auf der sicheren Seite liegend angesetzt werden darf. Für eine realistische Bewertung des Belüftungsgrads sind noch genauere Kriterien erforderiich. Als Ergebnis der baustofftechnischen Untersuchungen liegt nun die Kenntnis über die Schädigungsmechanismen und die wesentlichen Parameter sowie deren Zusammenhänge für den Widerstand von Beton gegenüber einer kombinierten Einwirkung der aggressiven Oxidationsprodukte in eisendisulfidhaltigem Baugrund vor. Unter Berücksichtigung bereits bekannter Regeln zur Herstellung von Beton mit einem hohen chemischen Widerstand lassen sich auf dieser Basis gezielt Betonrezepturen mit einem hohen Säure-Sulfat-Widerstand konzipieren. Die Laboruntersuchungen fokussierten ausschließlich auf Betone bei Kontakt mit oxidierenden eisendisulfidhaltigen Lockergesteinen unter stationären Bedingungen. Die Auswirkungen dynamischer (fließender) Verhältnisse im Baugrund wurden lediglich vereinfacht durch Erniedrigung des pH-Wertes in quasi-stationären Prüflösungen untersucht. Wie die Ergebnisse vermuten lassen, werden die Schädigungsmechanismen bei Veränderung der Umgebungsbedingungen von stationär nach dynamisch dahingehend verschoben, dass der lösende Angriff den Korrosionsprozess intensiver vorantreibt. Strömungseffekte wurden in den Einlagerungen in Prüflösungen nicht simuliert, und die Aufkonzentrierung von gelösten Reaktionsprodukten an der Betonoberfläche wurde zugelassen. Diesen Einflüssen auf den Korrosionsfortschritt unter dynamischen Bedingungen wäre noch durch umfangreichere Simulationsversuche oder in-situ Untersuchungen nachzugehen. Auf Grundlage der Ergebnisse ist es weiterhin möglich, adäquate Maßnahmen zur Sicherstellung einer ausreichenden Dauerhaftigkeit von Betonbauwerken in eisendisulfidhaltigem Baugrund festzulegen. Der Schädigungsfortschritt der Betone in den untersuchten Lockergesteinsproben deutet darauf hin, dass rein betontechnologische Maßnahmen, wie z. B. das Vorsehen von Opferbetonschichten, ausreichend sein können, um Betonbauwerke dauerhaft gegenüber einem kombinierten Säure-Sulfat-Angriff infolge Eisendisulfidoxidation im Baugrund zu schützen.
Publications
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