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Osmanische und europäische Musik im Kompendium des Alî Ufukî (um 1640): Erschließung, Analyse und (trans-) kultureller Kontext
Antragstellerin
Dr. Judith Irmela Haug
Fachliche Zuordnung
Musikwissenschaften
Förderung
Förderung von 2012 bis 2016
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 214593380
Das Manuskript F-Pbn Turc 292, eine nachträglich gebundene Loseblattsammlung aus dem Nachlass des polnischen Renegaten, osmanischen Hofmusikers und Hofdolmetschers Ali Ufuki (Albert Bobowski, um 1610 - um 1675), ist eine außergewöhnliche, komplexe Quelle von hohem, Disziplinen übergreifendem Erkenntniswert. Auf 626 Seiten umfasst sie die frühesten bekannten Aufzeichnungen osmanischer Musik unterschiedlichster Gattungen in einer modifizierten westlichen Notation und ist somit eine der sehr wenigen erhaltenen Niederschriften der fast ausschließlich mündlich tradierten osmanischen Kunst- und Volksmusik vor dem 19. Jh. Weiter enthält sie europäische Kompositionen (v.a. geistliche Lieder), Tabulaturen sowie Texte in einer Vielzahl von Sprachen, darunter musiktheoretische, musikpädagogische und aufführungspraktische Anmerkungen, überwiegend für den musikalischen Vortrag bestimmte lyrische Texte verschiedener, auch namhafter Autoren, medizinische, alchimistische und kulinarische Rezepte, grammatikalische und linguistische Notizen, Urkunden sowie persönliche Aufzeichnungen. Das Kompendium des Ali Ufuki ist als eine Momentaufnahme des musikalischen Lebens in Istanbul und im Sultanspalast des 17. Jh. eine Quelle von unschätzbarem Wert und ein einzigartiges Zeugnis für transkulturelle Prozesse und Wissensvermittlung zwischen Europa und dem Osmanischen Reich. Aus musikwissenschaftlicher Sicht bedarf diese außergewöhnliche Quelle einer detaillierten Erschließung durch eine kritische Edition der musikbezogenen Inhalte sowie der Analyse und Kontextualisierung der osmanischen und europäischen Repertoires. Zentrale Fragen sind hierbei Transkulturalität, Fixierung mündlich überlieferter Musik in einem aus einer anderen Kultur stammenden Zeichensystem, die Einbindung des Autors in internationale Wissensnetzwerke sowie seine Verortung in der osmanischen und europäischen Musikgeschichte bezüglich Repertoire, Überlieferungskontexten, Theorie und Aufführungspraxis. Nachdem die erste Förderphase neben umfangreichen Recherche- und Literaturarbeiten vor allem der Erschließung und kritischen Edition der musikalischen Inhalte sowie deren interner Analyse gewidmet war, soll in der zweiten Periode die Kontextualisierung von Repertoire und theoretischem Hintergrund im Zentrum stehen. Die Traditionslinien, in die das Kompendium eingebunden ist, reichen dabei bis in die Gegenwart und die moderne Aufführungspraxis osmanischer Musik.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen