Schüler(innen) mit schwacher Lesekompetenz zeigen noch im Sekundarstufenbereich eine unzureichende Automatisierung von Textverarbeitungsprozessen im hierarchieniedrigen Bereich. In dem durchgeführten Forschungsprogramm wurde geprüft, mit welchen unterrichtskompatiblen Förderanlagen die Leseflüssigkeit (Fluency) bei leseschwachen Hauptschülern in der sechsten Jahrgangsstufe verbessert werden kann. Dafür wurden die Effekte auf die Leseflüssigkeit von zwei Förderverfahren ermittelt, die jeweils über ein Schulhalbjahr hindurch dreimal pro Woche für 20 Minuten von den Deutschlehrkräften durchgeführt wurden: In 14 Klassen wurde ein Viellese-Verfahren („Stille Lesezeiten") praktiziert, bei dem die Schüler zu einer quantitativ gesteigerten Lektüre von interessanter, altersangemessener Kinder- und Jugendliteratur angehalten wurden; in neun Klassen wurde ein Lautlese-Training („Lautlese-Tandems") absolviert, bei dem die Schüler in Lese-Dyaden nach einer feststehenden Leseroutine übten, Texte synchron laut zu lesen. Acht Klassen fungierten als Kontrollgruppe, in der regulärer Deutschunterricht durchgeführt wurde. In dem Forschungsprojekt sollten folgende Sachverhalte und Fragestellungen geklärt werden: Erstens sollte die generelle Implementierbarkeit der beiden Methoden in den regulären Deutschunterricht evaluiert werden. Zweitens sollte auf der Grundlage der erhobenen Daten eine Diagnose der Lesekompetenz und ihrer Bedingungsfaktoren bei der Zielgruppe der schwachen Leser(innen) im Hauptschulbereich vorgenommen werden. Drittens sollte in der Untersuchung die allgemeine Wirksamkeit der beiden Treatments im unterrichtspraktischen Einsatz kurz- und langfristig ermittelt werden. Hierbei wurde geprüft, wie sich in den Untersuchungsgruppen die Leseflüssigkeit (Fluency) der Schüler im Verlauf der Förderung veränderte und ob ggf. Transfereffekte auf hierarchiehöhere Textverstehensleistungen bzw. auf die Lesemotivationslage der Kinder festgestellt werden können. Letztlich sollte die differenzielle Wirksamkeit beider Förderansätze ermittelt werden. (1) Bei der Implementation der beiden Förderverfahren in den Deutschunterricht zeigte sich, dass beide Ansätze von den Lehrkräften ohne größere Schwierigkeiten umgesetzt werden konnten: Sowohl in den Viellese- als auch den Lautlese-Klassen konnte die Implementation in zeitlicher und inhaltlich-konzeptioneller Hinsicht nach Plan realisiert werden. Die Verfahren erwiesen sich im Unterrichtsalltag als praktikabel. (2) Als relevante Prognosevariablen des Textverstehens konnte vor allem die Leseflüssigkeit (Fluency) identifiziert werden, die sich für Stichproben von Schülern mit und ohne Migrationshintergrund gleichermaßen als zentraler Prädiktor von Lesekompetenz erwiesen hat. Die Überprüfung der allgemeinen (3) und (4) differentiellen Wirksamkeit des Programms wurde an 527 Schülern sechster Klassen aus insgesamt 31 Haupt- und Gesamtschulen vorgenommen. Für die Klassen, in denen das Lautlese-Verfahren durchgeführt wurde, können im Anschluss an die Förderung signifikante Zuwächse bezüglich der Kriterien Leseflüssigkeit, Textverständnis und lesebezogenem Selbstkonzept festgestellt werden. Bei Klassen, in denen das Viellese-Verfahren praktiziert wurde, zeigen sich keine signifikanten Lemzuwächse auf die erhobenen Variablen nach Durchführung der Maßnahme. Die ermittelten Effekte bleiben überwiegend auch in der langfristigen Perspektive stabil. Differenzielle Effekte der beiden Fördermaßnahmen konnten nur in einem Fall festgestellt werden.