Durch eine Behandlung mit Plasmen in stickstoffhaltigen, aber weitestgehend sauerstofffreien Gasen, lassen sich, wie seit Längerem bekannt, Aminogruppen auch auf chemisch sehr reaktionsträgen Polymeren wie z.B. Polyethylen oder Polypropylen erzeugen. Aus Sicht der Anwendung von besonderem Interesse war der Befund, dass das auch für sogenannte „kalte“ Atmosphärendruckplasmen gilt, wie sie z.B. in dielektrisch behinderten Entladungen vorliegen. Im Rahmen des DFG-Projekts, über das hier zusammenfassend berichtet wird, wurde die Frage untersucht, wie der Mechanismus dieser „Plasmaaminierung“ ist, d. h., welche Moleküle aus der Gasphase eine besondere Rolle in den Reaktionen spielen, die schließlich zu der Bildung von Aminogruppen führen. Besonders primäre Aminogruppen sind für viele Anwendungen von Polymeren, etwa in den Bereichen der Polymerelektronik oder der biomedizinischen Analytik, von großem Interesse, weil sie chemisch sehr vielfältig umsetzbar sind. Um die vorliegende Frage zu beantworten, musste zunächst ein einfaches Verfahren entwickelt werden, um quantitativ die Anzahl der pro Flächeneinheit gebildeten primären Aminogruppen zu bestimmen. Dazu wurden diese Gruppen mit einer selektiv reagierenden „Detektorverbindung“ umgesetzt und die Flächendichte der so an der Oberfläche fixierten Detektormoleküle dann mit einer sehr empfindlichen infrarotspektroskopischen Methode bestimmt, wobei zur Kalibrierung Referenzlösungen strukturell sehr ähnlicher Moleküle verwendet wurden. Die Ergebnisse dieser neuen Methode sind in guter Übereinstimmung mit einem anderen im IOT neu entwickelten, ortsauflösenden Analysenverfahren. Im direkten Kontakt mit Plasmen sind Oberflächen in der Regel einem Bombardement von energiereichen Photonen, Elektronen, Ionen, Radikalen und angeregten Spezies ausgesetzt. Unter diesen Umständen experimentell Rückschlüsse auf dominierende Spezies zu ziehen, gestaltet sich in der Regel sehr schwierig oder unmöglich. Um die experimentelle Situation soweit wie möglich zu vereinfachen, wurde daher anstelle einer Oberflächenmodifizierung der Polymere im direkten Kontakt mit der Entladung eine Behandlung der Oberflächen in einem Durchflussreaktor „stromabwärts“ von der Entladung untersucht. Diese Vorgehensweise erlaubt, sich bei der Betrachtung möglicher Reaktionsmechanismen auf relativ wenige elektrisch neutrale Gasphasenspezies zu beschränken. Überraschendes Ergebnis der Untersuchungen war, dass für die Bildung von Aminogruppen aus Gemischen von Stickstoff mit geringen Wasserstoffzusätzen vermutlich weniger wasserstoffhaltige Gasphasenspezies wie NH oder NH2 eine Rolle spielen als vielmehr Stickstoffatome. Damit diese zwar sehr energiereichen, aber wegen ihrer speziellen elektronischen Struktur gleichzeitig reaktionsträgen Spezies mit Polymeren wie Polyethylen oder Polypropylen reagieren können, muss die Oberfläche zunächst in einen reaktionsfähigen Zustand versetzt werden. Das geschieht möglicherweise durch die Reaktion mit einem sehr reaktionsfähigen angeregten Zustand des Stickstoffmoleküls, der selbst wiederum durch Rekombination von zwei Stickstoffatomen entsteht und auf der Polymeroberfläche durch Kettenbrüche und H-Abstraktionen sehr reaktive Alkylzentren erzeugt. In Gegenwart größerer Mengen von Ammoniak sinkt die Ausbeute an Aminogruppen erheblich, weil Ammoniak mit dem angeregten Stickstoff reagiert und dabei relativ reaktionsträge Produkte bildet. Nach dem ersten Einbau der Stickstoffatome sind bezüglich des weiteren möglichen Verlaufs der Reaktion der Oberflächen nur fundierte Vermutungen in Anlehnung an Modellreaktionen möglich. Um die dazu bisher aufgestellten Hypothesen zu bestätigen, sind weitere Untersuchungen erforderlich, beispielsweise mit Hilfe von spektroskopischen Analysen in situ. Untersuchungen an Atmosphärendruck-Mikroplasmen, die im Rahmen eines anderen Projekts durchgeführt wurden, deuten daraufhin, dass der im Durchflussreaktor stromabwärts vom Plasma auftretende Reaktionspfad möglicherweise auch im Kontakt mit der Entladung selbst der dominierende Mechanismus ist.