Detailseite
Projekt Druckansicht

Medizinische Versorgung von Juden für Juden? "Krankenbehandler" in Berlin und Hamburg zwischen 1938 und 1945

Fachliche Zuordnung Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung von 2011 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 200503904
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Aufgrund der schwierigen Quellenlage musste der Forschungsweg über Einzelschicksale führen. Dieser Weg hat sich aber gelohnt, da wichtige Ergebnisse erzielt werden konnten, mit denen die Geschichte der „Krankenbehandler“ und die Versorgung von jüdischen Patienten in Berlin und in Hamburg zum ersten Mal in dieser Ausführlichkeit geschrieben werden konnte. Zwischen 1938 und 1945 hat es – vor allem in Berlin – eine doch nennenswerte Zahl von „Krankenbehandlern“ gegeben, die aus unterschiedlichen Gründen dieses Amt ausgeübt haben (Alter, Ungewissheit, Mangel an Geld). Die wichtigsten Ergebnisse dieses Projektes sind Erkenntnisse über die Zahl der „Krankenbehandler“, ihre Überwachung durch „Beauftragte für Behandler“ und Gestapo, die Einbindung von staatlichen, ärztlichen und jüdischen Organisationen (wie Reichsinnenministerium, Ärztekammern oder Reichsvereinigung der Juden in Deutschland) in dieses neu geschaffene System der medizinischen Versorgung von Juden für Juden. Weitere wichtige Ergebnisse beziehen sich auf die Diagnosen der jüdischen Patienten, auf die Abrechnung mit den Krankenkassen, wenn nicht privat liquidiert wurde. Erstaunlich bleibt, dass Juden überhaupt medizinisch versorgt wurden, zeigt aber, dass die vorgesehene Vernichtung oder wenigstens Vertreibung aller Juden nicht funktioniert hat, die Nationalsozialisten vielmehr auf jüdische Zwangsarbeiter angewiesen waren. Dabei sollte die grotesk anmutende Angst vor Ansteckung des „arischen Volkskörpers“ durch Juden nicht vergessen sein. Der Verwaltungsaufwand dieser Versorgung sowie die Überwachung waren in Berlin und Hamburg gleich, wenngleich auch das Berliner Jüdische Krankenhaus recht groß blieb, und das Hamburger Israelitische Krankenhaus zu einer Krankenstation degradiert wurde. Hier spiegelt sich der quantitative Unterschied schon durchaus wider. Trotzdem war dieser Unterschied (370 Berliner „Krankenbehandler“ und 30 Hamburger „Krankenbehandler“) ein überraschendes Ergebnis, was sich aber doch mit der Größe der Jüdischen Gemeinde bzw. der Anzahl der in Berlin bzw. in Hamburg lebenden Juden erklären lässt. Nicht zuletzt konnten in diesem Projekt zumeist recht ausführliche Biographien von 400 „Krankenbehandlern“ geschrieben werden, um den zumeist Unbekannten wieder einen Namen zu geben und sie der Öffentlichkeit bekannt zu machen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Als "Fremdkörper" agieren im normierten System der NS-Medizin: Strategien jüdischer Ärzte zwischen 1938 und 1945. Symposium anlässlich des 60. Geburtstags von Heinz-Peter Schmiedebach: Norm als Pflicht, Zwang und Traum. Normierende versus individualisierende Bestrebungen in der Medizin, München (8.-9. März 2012)
    Schwoch, Rebecca
  • Ausgestoßen – gebraucht – benutzt. Zur Situation von „Krankenbehandlern“ in jüdischen Krankenhäusern in Berlin und Hamburg zwischen 1938 und 1945. 18. Symposium der Deutschen Gesellschaft für Krankenhausgeschichte e.V., Hamburg/Lübeck (17.-20. September 2012)
    Schwoch, Rebecca
  • „Dienstag erhielten wir die Nachricht, dass wir fort müssen.“ Sanitätsrat Dr. med. Felix Opfer, in: Jacob, Ruth/Federspiel, Ruth (Hrg.): Jüdische Ärzte in Schöneberg. Topographie einer Vertreibung (= Frag doch! Geschichte konkret, Bd. 2), Berlin: Hentrich & Hentrich 2012, S. 58-60
    Tucker, Eva/Schwoch, Rebecca
  • "Krankenbehandler" im Jüdischen Krankenhaus Berlin und im Israelitischen Krankenhaus Hamburg zwischen 1938 und 1945, in: Historia Hospitalium 28 (2013), S. 269-291
    Schwoch, Rebecca
  • „Praktisch zum Verhungern verurteilt“ „Krankenbehandler“ zwischen 1938 und 1945, in: Beddies, Thomas et al. (Hg.): Jüdische Ärztinnen und Ärzte im Nationalsozialismus. Entrechtung, Vertreibung, Ermordung. Europäischjüdische Studien Beiträge, Bd. 12, Berlin/Boston: De Gruyter 2014, S. 75-91
    Schwoch, Rebecca
  • „Krankenbehandler“ und „Fremdkörper“. Jüdische Ärzte zwischen 1938 und 1945, in: Gadebusch-Bondio, C./Brinkschulte, E. (Hrg.): Norm als Zwang, Pflicht und Traum - Normierende versus individualisierende Bestrebungen in der Medizin. Festschrift zum 60. Geburtstag von Heinz-Peter Schmiedebach. Frankfurt a. M, Lang Verlag, 2015 (Medizingeschichte im Kontext; 19), ISBN 3631660642
    Schwoch, Rebecca
  • Jüdische Ärzte als Krankenbehandler in Berlin zwischen 1938 und 1945. Frankfurt a. M., Mabuse-Verlag, 2018. 9783863213220. Ca. 635 S.
    Schwoch, Rebecca
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung