Die Bedeutung von Gliotransmittern für den Verlauf einer reaktiven Gliose
Final Report Abstract
Erkrankungen und Verletzungen des Nervensystems sind mit Veränderungen in Gliazellen verbunden, die in ihrer Gesamtheit als reaktive Gliose bezeichnet werden. Im Rahmen des Projektes sollte untersucht werden, welche Rolle Gliotransmitter bei der Regulation dieses Prozesses spielen. Dabei wurden verschiedene Mausstämme verwendet, bei denen bestimmte Proteine fehlen bzw. zelluläre Funktionen verändert sind. Das waren Mäuse ohne den Nukleotidrezeptor P2Y1 (P2Y1-/-) und ohne den IP3-Rezeptor Typ 2 (IP3-/-) sowie Mäuse, die in Müllerzellen das Botulinumtoxin BoNT/B bzw. ein dominant negatives SNARE-Protein (dnSNARE) exprimieren. Zunächst wurde eine Reihe morphologischer Eigenschaften der retinalen Müllerschen Gliazellen unbehandelter Tiere untersucht, die keine auffälligen Veränderungen aufwiesen. Im weiteren Verlauf kam ein Modell zur transienten retinalen Ischämie mit anschließender Reperfusion und einer Überlebenszeit von 7 Tagen zum Einsatz. Dabei wurde die Durchblutung des Auges durch Erhöhung des intraokulären Druckes für 90 Minuten verhindert. Es war bereits bekannt, daß durch diese Ischämie eine reaktive Gliose in Müllerzellen hervorgerufen wird, die u.a. durch eine verstärkte Expression des Intermediärfilaments GFAP, durch eine Verkleinerung einwärts gerichteter Kaliumströme und durch eine verstärkte Anfälligkeit gegenüber osmotischem Streß charakterisiert ist. Die Tatsache, daß die Reduktion der Einströme nach Ischämie bei P2Y1-/--Mäusen schwächer ausfiel, deutet darauf hin, daß dieser Rezeptor in die Regulation der reaktiven Gliose involviert ist. Untersuchungen an BoNT/B-Mäusen fanden bisher vor allem an unbehandelten Tieren statt. Dabei zeigte sich, daß Müllerzellen aus diesen Tieren zwar keine morphologischen und elektrophysiologischen Besonderheiten aufwiesen, aber unter hypotonen Bedingungen schwellen, was Zellen in Gewebe aus Kontrollmäusen nicht tun. BoNT/B unterdrückt bei diesen Tieren die Exocytose, es wurde deshalb vermutet, daß einer der Gliotransmitter, die in einer bereits früher beschriebenen Signalkaskade zur Volumenregulation integriert sind, normalerweise vesikulär freigesetzt wird. Um die Transmitterfreisetzung direkt nachzuweisen, wurde ein Nachweissystem für Glutamat etabliert. Es basiert auf einer enzymatischen Reaktion, in der bei Anwesenheit von Glutamat ein Substrat so umgesetzt wird, daß es fluoresziert. Wurde eine Erhöhung der intrazellulären Ca2+-Konzentration zur Aktivierung einer Vesikelfreisetzung experimentell induziert, so konnte an Kontrollzellen eine Fluoreszenz gemessen werden. Dieses Signal war in Zellen aus BoNT/B-Mäusen signifikant reduziert. Damit wurde erstmals an frisch isolierten, nichtkultivierten Gliazellen eine vesikuläre Glutamatfreisetzung nachgewiesen.
Publications
- Physiologic properties of Müller cells from human eyes affected with uveal melanoma. Invest. Ophthalmol. Vis. Sci. 53, 4170-4176, 2012
Grosche A, Pannicke T, Karl A, Iandiev I, Francke M, Wiedemann P, Reichenbach A, Bringmann A
(See online at https://doi.org/10.1167/iovs.12-9746) - Relevance of exocytotic glutamate release from retinal glia. Neuron 74, 504-516, 2012
Slezak M, Grosche A, Niemiec A, Tanimoto N, Pannicke T, Münch TA, Crocker B, Isope P, Härtig W, Beck SC, Huber G, Ferracci G, Perraut M, Reber M, Miehe M, Demais V, Lévêque C, Metzger D, Szklarczyk K, Przewlocki R, Seeliger MW, Sage-Ciocca D, Hirrlinger J, Reichenbach A, Reibel S, Pfrieger FW
(See online at https://doi.org/10.1016/j.neuron.2012.03.027)