IL-6 kann in IL-6-Rezeptor (IL-6R)-negativen Zellen Signalling induzieren, indem löslicher IL-6R extrazellulär IL-6 komplexiert und dieser Komplex dann an membranständiges gp130 bindet und nachgeschaltete Signalkaskaden auslöst. Im Gegensatz zur IL-6-Bindung an zellständigen IL-6R (= klassisches Signalling) wird dies als Trans-Signalling bezeichnet. Unsere Hypothese, dass IL-6 durch reduziertes klassisches Signalling und parallel verstärktes Trans-Signalling entzündliche Nierenerkrankungen perpetuiert und akzeleriert, wurde in mehreren experimentellen Ansätzen untersucht. A) Deskriptive Analysen: Die Analysen glomerulärer IL-6-Komponenten in der Maus ließen uns auf einen primär Trans-Signalling-gesteuerten Mechanismus in Podozyten schließen. Systemisches IL-6 fand sich in gesunden Tieren unterhalb der Nachweisgenze, während die Injektion von LPS oder anti-GBM-Serum sehr hohe Konzentrationen induzierte. Im Serum und Urin von Patienten mit rasch progredienter Glomerulonephritis (RPGN) sowie gesunder Kontrollen wurden IL-6, sIL-6R und sgp130 gemessen: Während sIL-6R unverändert blieb, zeigte sich IL-6 (Serum/Urin) und sgp130 (Urin) deutlich erhöht. Die IL-6- Serum-Werte korrelierten dabei mit erhöhter klinischer Krankheitsaktivität. Auch in der NTN, einem Modell der humanen RPGN, gab es einen deutlichen Anstieg der IL-6-Konzentration in der frühen Phase der Erkrankung. Zudem stieg die sIL-6R-Konzentration im Serum bei gleichzeitig abnehmendem sgp130. Schließlich konnten wir auch eine Aktivierung der intrarenalen IL-6-Signaltransduktion in der späten Phase der NTN belegen. Zusammengenommen sprechen unsere Daten für eine Zunahme des Trans-Signallings in der Spätphase der Erkrankung. B) In vitro-Antwort primärer Podozyten auf IL-6: Primäre Wildtyp-Podozyten sowie primäre Podozyten mit gp130-Defizienz wurden aus entsprechenden Mäusen (s. unten) isoliert und kultiviert. Nach Stimulation mit IL-6 zur Induktion eines klassischen IL-6-Signallings in vitro bzw. in der Kombination IL-6 & sIL-6R (= Trans- Signalling-Induktion) konnten wir die mit Abstand stärkste Aktivierung nach IL-6-Trans-Signalling-Induktion in den WT-Zellen feststellen. Weitere Analysen zeigten, dass IL-6-Trans-Signalling in erster Linie für die Migration der Podozyten wichtig ist. Erste Daten deuten dabei auf zytoskeletale Veränderungen. In cDNA Gene Array–Analysen werden gegenwärtig durch Trans-Signalling regulierte Faktoren in Podozyten identifiziert, die Auskunft über die hier beteiligten Proteine und mögliche Mechanismen geben können. C) Podozyten-spezifische gp130-Defizienz in vivo: Wir identifizierten Podozyten als die glomerulären Zellen mit der stärksten gp130-Expression und generierten Mäuse mit spezifisch podozytärem gp130-knockout (gp130∆pod). Die in vivo-Relevanz des Trans-Signallings in diesen für die meisten glomerulären Erkrankungen relevanten Zellen wurde anschließend in 40-Wochen alten Tieren, in zwei LPS-Modellen (1x LPS/24h & 2x LPS/48h) sowie in der NTN untersucht. gp130∆pod-Tiere zeigten keine spontane renale Pathologie oder veränderte Nierenfunktion in den 40-Wochen alten Tieren. In allen drei Erkrankungsmodellen wurden für alle untersuchten Parameter, z. B. beim induzierten Podozytenschaden oder bei allen histologischen- oder Nierenfunktions-Parametern keine Unterschiede zwischen gp130∆pod-Tieren und den WT-littermates festgestellt. Podozytäres gp130 ist somit in der akuten Glomerulonephritis von geringerer Bedeutung. D) Therapeutische Intervention durch Antagonismus von Gesamt-IL-6-Signalling versus Antagonismus des IL-6-Trans-Signallings: Alle Daten zur Expression der Komponenten des IL-6-Systems (s. oben) in der humanen RPGN sowie dem NTN-Modell in der Maus sprechen für eine Zunahme des Trans-Signallings in der späten Phase der Erkrankung. Der Einsatz eines anti-IL-6-Antikörpers, der sowohl klassisches- wie auch Trans-Signalling inhibiert, zeigte keinen signifikanten Einfluss auf den Verlauf der NTN in der Maus. Dagegen erzielte die Intervention mit einem spezifischen Inhibitor des IL-6-Trans-Signalling, sgp130Fc, in der NTN eine deutliche Reduktion bei den glomerulären Crescents, fibrinoider Nekrose sowie beim Blutdruck-Anstieg. Umgekehrt konnten wir durch spezifische Induktion des IL-6 Trans-Signallings mit Hyper- IL-6, einem Fusionsprotein aus IL-6 und sIL-6R, glomeruläre fibrinoide Nekrose sowie Fibrinogen in der NTN signifikant verstärken. Zudem resultierte diese Behandlung in verschlechterter Nierenfunktion und einem erhöhten Blutdruck. Weitere Daten deuten auf eine Verschiebung durch IL-6-Trans-Signalling hin zu potentiell schädlichen infiltrierenden Th17-Zellen sowie pro-entzündlichen M1-Typ-Makrophagen. Hyper-Il-6 in normalen Mäsuen hatte keine Effekte. Unsere Ergebnisse deuten somit auf eine neue spezifische Möglichkeit zur Behandlung der RPGN durch selektive Blockade des IL-6 Trans-Signallings.