Neue synthetische Methoden für natürlich modifizierte Peptide und Proteine, ihre strukturelle Evaluation und biologische Funktion
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Modifikationen von Proteinen – zentrale Steuerungselemente in der Zelle. In der dicht gepackten Welt einer biologischen Zelle werden viele lebenswichtige Vorgänge durch die Modifikation von Proteinen gesteuert. Diese biologischen Prozesse sind beispielsweise für die Zellteilung oder essentielle Transportprozesse verantwortlich und führen schlimmstenfalls bei Unterbrechung oder Fehlfunktion zu Krankheiten oder dem Zelltod. Eines der wichtigsten Beispiele für die Modifizierung von Proteinen stellt die Phosphorylierung dar, aber auch andere enzymatische Funktionalisierungen wie die Verknüpfung mit Zuckerbausteinen in der Protein-Glycosylierung sind wichtige An- bzw. Aus-Schalter für zentrale biologischer Prozesse. Dieser natürliche Mechanismus der Modifikation von Proteinen interessiert eine Vielzahl von Wissenschaftlern in den Lebenswissenschaften und dabei ganz besonders in der Chemischen Biologie. Forscherinnen und Forscher dieser Disziplin möchten aber nicht nur die Wirkungsweise der natürlichen Modifizierungsschritte unter die Lupe nehmen, sondern auch Proteine mit unnatürlichen Bausteinen dekorieren, zu funktionalisieren. Dadurch können Proteine beispielsweise in den Zellen sichtbar zu machen, indem sie mit lichtaktiven Einheiten verknüpft werden, oder die Aufreinigung der Proteine vereinfacht werden. Eine weitere für die pharmazeutische Industrie hochinteressante Anwendung der unnatürlichen Protein-Funktionalisierung ist die Verknüpfung von Proteinen mit wasserlöslichen Polymeren, um sie so stabil gegenüber einem proteolytischen Abbau in den Zellen und damit therapeutisch anwendbar zu machen. Chemie mit Proteinen: Selektive Funktionalisierungen für Biologie und Pharmazie. Die Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe von Christian Hackenberger konnte in den letzten Jahren ein neues chemisches Verfahren für eine hochselektive Funktionalisierung von Proteinen entwickeln. Dieses Verfahren kombiniert die biochemische Gewinnung von Proteinen durch bakterielle Exprimierung mit einer anschließenden chemischen Reaktion, um so natürliche oder unnatürliche funktionale Module an das Protein zu heften. Die große wissenschaftliche Herausforderung liegt bei diesem Verfahren dabei, eine möglichst milde und zugleich hochselektive chemische Reaktion zu entwickeln, bei der nur eine einzige Position im Protein funktionalisiert wird, um die biologische Aktivität des Proteins gezielt beeinflussen zu können. Dieses Unterfangen gelang in der Arbeitsgruppe Hackenberger durch die Entwicklung der sogenannten „Staudinger-Phosphit Ligation“, einer hochselektiven Reaktion, mit der bei Raumtemperatur sogenannte Azid-Funktionen in Proteinen selektiv modifiziert werden können. Der Vorteil der Staudinger-Phosphit Ligation gegenüber anderen bekannten chemischen Reaktionen von Aziden ist dabei, dass sie ohne zelltoxische Metallkatalysatoren abläuft. Ebenfalls besonders vorteilhaft ist die einfache Gewinnung der Ausgangssubstanzen durch chemische Verfahren, die bereits für die Herstellung von DNA Verwendung findet. Biologische Anwendungen: Phosphorylierung, Stabilisierung und mehr… Erstmalig in der Wissenschaft konnten Hackenberger und seine Mitarbeiter eine natürliche enzymatische Modifizierung von einem Protein, in diesem Fall die bereits erwähnte Phosphorylierung, rein chemisch durchführen. Durch diese erfolgreiche chemische Phosphorylierung von Proteinen ergibt sich ein breites Anwendungspotential für die Erforschung von Signalprozessen, da diese elementaren Signale durch die Zugabe von chemischen Reagenzien initiiert und untersucht werden können. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Reaktion auch in hochkonzentrierten zellulären Lysaten abläuft. In einer weiteren für die Biotechnologie vielversprechenden Anwandung konnten Proteine durch die Staudinger-Phosphit Ligation mit wasserlöslichen Polymeren, sogenannten Polyethylenglycolen (PEG) verknüpft werden, was zu einer Erhöhung der Löslichkeit von Proteinen führt und die Stabilität im Serum für biologische Anwendungen deutlich erhöht. Ebenfalls konnten Proteine ortsspezifisch mit dem Biomarker Biotin konjugiert werden, wodurch eine Visualisierung der Proteine und eine einfache Immobilisierung ermöglicht wurde. Links siehe http://www.fmpberlin.info/research/chemical-biology/res-groups-chembio/hackenbe/in-the-news.html "Wir können Moleküle gezielt herstellen" Der Chemiker Christian Hackenberger wird Leibniz-Humboldt-Professor für Chemische Biologie. Berliner Zeitung, 21. Dezember 2012 "Christian Hackenberger erhält Leibniz-Humboldt-Professur". Förderung für Nachwuchswissenschaftler der Chemischen Biologie. HU Berlin - Pressemitteilungen Dezember 2012 ORCHEM-Preis für Nachwuchswissenschaftler für Christian P.R. Hackenberger und Axel Jacobi von Wangelin. Angewandte Nachrichten (DOI 10.1002/ange.201207226) Erfolgreicher Nachwuchswissenschaftler wird ausgezeichnet Chemiker Prof. Dr. Christian Hackenberger von der Freien Universität erhält Orchem-Preis der Liebig- Vereinigung für Organische Chemie. FU Berlin - Pressemitteilung Nr. 259/2012 vom 14.09.2012 Emil-Fischer-Medaille und Orchem-Preise. GDCh Pressemitteilung. Wissenschaftlicher Pressedienst Chemie Nr. 36/12 Chemische Techniken in die Biochemie tragen. Nachrichten aus der Chemie 59(10), 925-1019 (2011) DOI 10.1002/nadc.201190064 Heinz Maier-Leibnitz Prize for Christian P.R. Hackenberger. Angewandte Chemie International Edition - News DOI 10.1002/anie.201102245 "Turning point: Christian Hackenberger". Bioorganic chemist Christian Hackenberger hopes to bring young investigators together in interdisciplinary collaborations. Nature 475, 415 (2011) "Mit Proteinen zum Erfolg". Christian Hackenberger, Chemiker an der Freien Universität, ist für seine Arbeiten in Lehre und Forschung mehrfach ausgezeichnet worden. FU Berlin - campus.leben vom 07.04.2011
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Chemoselective Ligation and Modification Strategies for Peptides and Proteins. Angew. Chem. 2008, 120, 10182-10228. Angew. Chem. Int. Ed. 2008, 47, 10030-10074
C. P. R. Hackenberger, D. Schwarzer
- Chemoselective Peptide Cyclization via Traceless Staudinger Ligation. Angew. Chem. 2008, 120, 6073-6078. Angew. Chem. Int. Ed. 2008, 47, 5984-5988
R. Kleineweischede, C. P. R. Hackenberger
- Synthesis of N,N-disubstituted phosphoramidates via a Lewis-acid catalyzed phosphorimidate rearrangement. ChemComm. 2008, 2932-2934
I. Wilkening, G. del Signore, C. P. R. Hackenberger
- Chemoselective Staudinger-Phosphite Reaction of Azides for the Phosphorylation of Proteins. Angew. Chem. 2009, 121, 8382-8387. Angew. Chem. Int. Ed. 2009, 47, 8234-8239
R. Serwa, I. Wilkening, G. del Signore, M. Mühlberg, I. Claußnitzer, C. Weise, M. Gerrits, C. P. R. Hackenberger
- Acidic and Basic Deprotection Strategies of Borane-protected Phosphinothioesters for the Traceless Staudinger Ligation. Bioorg. Med. Chem. 2010, 18, 3679-3686
M. Mühlberg, D. Jaradat, R. Kleineweischede, I. Papp, D. Dechtrirat, S. Muth, M. Broncel, C. P. R. Hackenberger
- Site-Specific PEGylation of Proteins by a Staudinger-Phosphite Reaction. Chemical Science 2010, 1, 596-602
R. Serwa, P. Majkut, B. Horstman, J.-M. Swiecicki, M. Gerrits, E. Krause, C. P. R. Hackenberger
- Staudinger-Phosphonite Reactions for the Chemoselective Transformation of Azido-Containing Peptides and Proteins. Org. Lett. 2011, 13, 5440-5443
M.R.J. Vallée, P. Majkut, I. Wilkening, C. Weise, G. Müller, C.P.R. Hackenberger
- Synthesis of phosphonamidate peptides by Staudinger reactions of silylated phosphinic acids and esters (Emerging Investigator Issue). Chem. Commun. 2011, 47, 349-351
I. Wilkening, G. del Signore, C. P. R. Hackenberger
- Glycan-Specific Metabolic Oligosaccharide Engineering of C7-Substituted Sialic Acids. Angew. Chem. 2012, 121, 6088-6092. Angew. Chem. Int. Ed. 2012, 51, 5986-5996
H. Möller, V. Böhrsch, J. Bentrop, J. Bender, S. Hinderlich, C. P. R. Hackenberger
(Siehe online unter https://doi.org/10.1002/anie.201108809) - The Alzheimer’s disease-related tau protein as a new target for chemical protein engineering. Chem. Eur. J. 2012, 18, 2488-2492
M. Broncel, E. Krause, D. Schwarzer, C. P. R. Hackenberger
(Siehe online unter https://doi.org/10.1002/chem.201103032)