Im Forschungsprojekt wurde im Rahmen der Gender- und Critical Whiteness Studies die kunst- bzw. kulturhistorische Bedeutung weißer Textilien in der visuellen Kultur des 20. Jahrhunderts in Deutschland erarbeitet. Anregungen gaben postkoloniale Gegenwartskünstler_innen, die für ihre Kritik an der europäischen Dominanzkultur weiße Textilien benutzen. Für den methodischen Ansatz sind die Begriffe des „performing whiteness“ (Gwendolyn A. Forster) und der „offenen Sequenz“ (George Kubler) zentral, um die diskursiven, ästhetischen und materiellen Bedingungen von weißen Textilien in ihrer zeitlichen Dimension zu erfassen. Die Weiterentwicklung von Methoden aus der kunsthistorischen Genderforschung mit denen der materiellen Kultur stellt einen innovativen interdisziplinären Ansatz dar, der zentrale Bild- und Wahrnehmungsphänome der Kunst- und Alltagsästhetik zum weißen Textil anhand eines vielfältigen Materialfundus erklärt. Das Reinheitsgebot weißer Textilien, sowohl im Objekt selbst als auch im Bild, resultiert aus der europäischen christlichen Kultur. Seit dem 19. Jahrhundert wird diese Semantik auf eines der zentralen Paradigmen der Moderne – dem Hygienediskurs – übertragen und biopolitischen Interessen nutzbar gemacht: Heute tarnt etwa weiße Kleidung an Klonen die Ausbeutung des menschlichen Körpers als Human Ressource. Interessanterweise bleiben im Zuge dessen das übergeordnete Werteschema weißer Stofflichkeit und damit auch die mit ihr verbundenen Grundfesten struktureller Dominanz erhalten. Das Weiß der Moderne als Ausdruck des technischen Fortschritts ist durch die Veredelungstechniken in der Industrie und den Haushaltspraktiken in die Textilien gewissermaßen eingewirkt. Die mit Sauberkeit assoziierte gesellschaftliche Ordnung wird nun ästhetisch sichtbar in den weißen Textilien und zwar nicht nur aufgrund der Farbästhetik, sondern auch durch die spezifische Materialität weißer Wäsche. In visuellen Repräsentationen erstrahlt beispielsweise die deutsche Kolonialherrschaft im heimatlichen Weiß als Ausdruck kultureller Überlegenheit, während die weiße Kleidung am kolonisierten Körperbild Domestizierung und Unterwerfung betont. Speziell in Deutschland entwickeln sich hieraus arische Körperphantasmen, die wiederum eng auf den Bildkonzepten der Lebensreformbewegungen aufbauen. In der DDR finden sich Interpretationen weißer Arbeitskleidung, die im Internationalen Sozialismus mit dem kulturellen Überlegenheitsanspruch von whiteness ästhetisch brechen. Das Projekt stellt eine Kooperation des CePoG – Centrum für Postcolonial und Gender Studies der Universität Trier mit dem Fach Mode und Ästhetik an der TU Darmstadt dar.