In unserem Projekt haben wir uns den Arbeitskräften zugewandt, die im Dienste öffentlicher Güter stehen. Ausgangs- und Zielpunkt der empirischen Erhebungen waren die Arbeitsorientierungen und erwerbsbiografischen Erfahrungen. Auf diese Weise haben wir eine Arbeitswelt kennen gelernt, die sich in den vergangenen Jahren auf sehr grundlegende Art und Weise verändert hat. Die Post auszutragen, findet heute unter anderen Bedingungen statt als in den 1980er Jahren; Kranke zu pflegen und zu versorgen stellt in diesen Tagen neue Anforderungen; die Verwaltungsleistungen einer Kommune folgen anderen Vorgaben als in der Zeit vor dem New Public Management. Eine relative einheitliche Welt beruflicher Aufstiegswege, tariflicher Lohnsysteme und standardisierter Arbeitszeiten hat sich differenziert in neue Statusordnungen und in eine Vielfalt von Beschäftigungsformen. Das gilt für alle drei untersuchten Länder und für alle drei untersuchten Branchen. Der öffentliche Sektor ist nicht neu erfunden worden, aber er hat markante Veränderungen erfahren. Seine technologischen Voraussetzungen und Grundlagen haben sich gewandelt, Status, Ansehen und Position der Beschäftigten sind andere, und auch die Selbstwahrnehmung der Beschäftigten unterliegt Veränderungsprozessen. Zwar variieren Arbeitsverhältnisse und Beschäftigungsformen in den jeweiligen Tätigkeitsfeldern, aber cum grano salis können wir doch ähnliches für die Bediensteten der Post, für die Beschäftigten in der Leistungsverwaltung der Kommunen oder in den Krankenhäusern sagen. Die Arbeitskräfte in allen diesen Tätigkeitsbereichen wurden auf je spezifische Weise durch die Mühle zahlreicher Reformen gedreht. Das Verhältnis zu den Bürgerinnen und Bürger ist ein anderes geworden. Auch das gilt für alle von uns untersuchten Arbeitsbereiche. Von hoheitlichen Akten kann insbesondere in der Verwaltung nicht mehr die Rede sein, eher von Kommunikation und Interaktion. Noch einmal besonders sind die Krankenhäuser und die Arbeitswelten, die wir dort antreffen. Auf den ersten Blick scheint hier die größte Stabilität zu herrschen, sehen sich doch Pflegerinnen und Pfleger, Ärztinnen und Ärzte damals wie heute der Gesundheit und dem Wohlergehen ihrer Patienten verpflichtet. Dennoch hat sich im Gesundheitswesen der konkrete Arbeitsvollzug auf sehr grundlegende Weise verändert, die Bürokratisierung und Dokumentationspflicht ist voran geschritten und auch die hierarchischen Beziehungen zwischen ärztlichem, verwaltendem und pflegendem Personal sehen heute anders aus. Insbesondere das verwaltende und pflegende Personal wurde im Zuge der Kommerzialisierung und Evaluation von Gesundheitsdienstleistungen deutlich aufgewertet. Und im Postbereich haben sich schließlich durch die Privatisierung und die stärkere Differenzierung des Post- und Fernmeldesektors neue Arbeitswelten ergeben. Hier ist die Ökonomisierung tatsächlich zu einer vollständigen Kommerzialisierung vorangeschritten und hat die Privatisierung den Rationalisierungsdruck deutlich erhöht. Was heißt das für die Beschäftigten selbst? Unsere Interviews zeigen, dass sich nicht alles zum Schlechten verändert hat, aber dennoch bleibt der Eindruck bestehen, dass die Intensität und die Anspannung bei der Arbeit für die öffentlichen Güter gewachsen ist, während gleichzeitig die Verbindlichkeit und Sicherheit der Beschäftigung erodierte. Es ist schwierig, den Dienst an den öffentlichen Gütern auf einen Nenner zu bringen, aber eines steht fest: Von der beruflichen und sozialen Zukunft seines Personals wird wesentlich die Lebensqualität in unseren demokratischen Gesellschaftsordnungen abhängen. Die Demokratie kann auf die transparente und partizipative Herstellung öffentlicher Güter nicht verzichten. Diese Herstellung hängt an konkreten Personen, die diese Güter tragen, vertreten und sichern. Ihnen mehr Aufmerksamkeit zu widmen ist auch eine Aufgabe gesellschaftswissenschaftlicher Forschung. Unser Forschungsprojekt versucht, einen Beitrag hierfür zu leisten. Dieser Beitrag bleibt freilich schlaglichtartig und beansprucht nicht, einen vollständigen Überblick zur Arbeitswelt der öffentlichen Dienstleistungen zu geben. Zweifelsfrei lassen sich in Anknüpfung an unsere Befunde eine Reihe neuer und weiter führender Forschungsfragen formulieren, zumal das Feld öffentlicher Dienste lange Zeit eine Brachfläche soziologischer Forschung war. Im Rahmen des dokumentierten Teilprojekts des Hamburger Instituts für Sozialforschung gelang es daher erfreulicherweise, weitere Kooperationsbeziehungen aufzubauen. Das gilt mit Blick auf die von der DFG finanzierten Projekte „Der Wandel des Staates als Arbeitgeber: Rollen- und Selbstverständnis öffentlich Beschäftigter und ihre Interessenvertretung im internationalen Vergleich“ im Sonderforschungsbereichs 597 "Staatlichkeit im Wandel" an den Universitäten Bremen (Prof. Dr. Karin Gottschall) und Oldenburg (Prof. Dr. Bernhard Kittel) sowie „L’état, c’était moi. Transformation von Staatlichkeit und ihre Folgen für Deutungsmuster, Habitusformationen und berufliches Selbstverständnis“ an der Universität Siegen (Prof. Dr. Wolfgang Ludwig-Mayerhofer). Über die DACH-Kooperation hinaus konnten weitere internationale Kontakte geknüpft werden, zum Beispiel mit Gilles Jeannot vom Laboratoire Techniques, Territoires et Sociétés (LATTS) in Marne-la-Vallée. An diese Kontakte gilt es anzuknüpfen, um das gesellschaftstheoretisch wie zeitdiagnostische Potential einer neuen sozialwissenschaftlichen Forschung zu öffentlichen Dienstleistungen und deren Bedeutung für die Gestaltung der Demokratie weiter ausschöpfen zu können.