Wie das Skelett eines Menschen wird eine biologische Zelle - die kleinste lebende Einheit - durch ein Skelett gestützt: das Zytoskelett. Jedoch anders als das menschliche Skelett ist das Zytoskelett dynamisch und wird während Wachstum, Migration und Zellteilung ständig umarrangiert. Das Mikrotubuli-Zytoskelett besteht neben langen Filamenten - den Microtubuli - aus Mikrotubuli-bindenden Proteinen, die ihre Dynamik und Umstrukturierung regulieren. Mikrotubuli-assoziierte Profeine aus der stark konservierten XMAP215/Dis1 Familie fördern das Wachsen und Schrumpfen von Mikrotubuli. Es wird vermutet, dass Mitglieder dieser Proteinfamilie mit dem dynamischen Ende der Mikrotubuli mitgleiten und den Ein- und Abbau von Tubulin-Untereinheiten beschleunigen. Das pflanzliche Homolog MOR1 ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein langes, lineares Molekül mit 5 N-terminalen TOG-Domänen. Eine TOG-Domäne hat eine paddeiförmige Struktur und kann an Tublin binden. Innerhalb der ersten N-terminalen TOG-Domäne verursacht die mor1-1 Punktmutation eine temperaturabhängige Desorganisation des Mikrotubuli-Zytoskeletts und das Wachsen und Schrumpfen ist dabei verlangsamt. Für die Analyse in lebenden Zellen wurden die beiden N-terminalen TOG- Domänen (TOG12) von MOR1 in pflanzlichen Zellen exprimiert und für in-vitro-Mikrotubuli-Bindungs- und Polymerisierungs-Assays in Bakterien exprimiert. Dabei haben wir festgestellt, dass die N-terminale Domäne von MOR1 für die Mikrotubuli-Bindung von entscheidender Bedeutung ist. Wurden die ersten beiden TOG-Domänen am N-terminus markiert, wurde die Fähigkeit Mikrotubuli zu binden und die in-vitro-Polymeraseaktivität behindert. Im Gegensatz dazu hat eine Markierung am C-Terminus volle Aktivität und konnte sogar den temperaturempfindlichen mor1-1-Phänotyp ausgleichen. Durch das Vergleichen der DNA-Sequenzen verschiedener Organismen habe ich eine potentielle Mikrotubuli-Bindestelle am äußersten N-terminus des Proteins entdeckt. Diese Bindestelle wird wahrscheinlich durch eine N-terminale Markierung unzugänglich gemacht und inhibiert somit die Bindung am Mikrotubulus. Des Weiteren haben wir festgestellt, dass diese mor1-1-Punktmutation in TOG12 die Affinität für Mikrotubuli in-vitro erhöht. Dies deutet darauf hin, dass durch die starke Bindung an die Mikrotubuli das mutierte Protein MOR1 nicht mehr mit den dynamischen Mikrotubuli- Ende mitgleiten kann und dass somit die Mikrotubuli im Wachsen und Schrumpfen nicht mehr gefördert werden können. Wir schließen aus unseren Ergebnissen, dass eine ausgewogene Mikrotubuli-Affinität in der N-terminalen TOG-Domäne für die MOR1 Polymeraseaktivität entscheidend ist.