Genetik und Physiologie von Kalium-Kanälen in der renalen Elektrolyt- und Blutdruckregulation
Final Report Abstract
Ausgangspunkt unserer Untersuchungen war die Entdeckung eines neuen genetischen Syndroms (SeSAME). Kinder mit diesem Syndrom entwickeln bereits im Säuglingsalter Krampfanfälle. Später fallen eine Störung der Bewegungskoordination, eine Schwerhörigkeit und eine durch eine Funktionseinschränkung der Niere bedingte Störung des Elektrolythaushalts auf. Wir konnten zeigen, dass dieses Syndrom durch Mutationen in einem Ionenkanal (KCNJ10) verursacht wird. Dieser Kanal ist im Gehirn, im Innenohr und in der Niere an der Kaliumleitfähigkeit der Zellmembran beteiligt. Die Mutationen, die wir bei den betroffenen Familien identifiziert haben, führen zu einem Funktionsverlust des Kanals auf molekularer Ebene. In einer Familie mit vier an SeSAME erkrankten Kindern haben wir festgestellt, dass die Funktionseinschränkung der Niere erst im Schulalter zu Beschwerden und zum Auftreten gravierender Elektrolytstörungen führt. Möglicherweise ist das dadurch bedingt, dass der Teil der Niere, in dem der Ionenkanal vor allem aktiv ist (das sog. distale Konvolut) erst im Schulalter essentiell für die Erhaltung normaler Elektrolyte wird. Kaliumkanäle sind nicht nur in der Niere, sondern auch in der Nebennierenrinde an der Regulation des Salz- und Elektrolythaushalts beteiligt. In der Nebenniere wird das für die Blutdruckregulation wichtige Hormon Aldosteron gebildet. Bestimmte Tumore der Nebenniere (Aldosteronome) führen zu einer Überproduktion dieses Hormons und damit zu extremem Bluthochdruck und oft erniedrigten Kaliumwerten im Blut. Etwa 5-10% der Patienten mit extremem Bluthochdruck weisen solche Tumore auf, die operativ entfernt werden müssen. Wir haben mit neuen Sequenzierungstechnologien alle proteinkodierenden Gene dieser Tumoren sequenziert und überraschenderweise tumorspezifische Mutationen nicht in den bereits gut erforschten TASK- und TREK-Kanälen, sondern in einem Kaliumkanal (KCNJ5) gefunden, dessen Bedeutung für die Nebennierenrinde bislang noch völlig unklar war. Im Gegensatz zu den Mutationen bei Kindern mit SeSAME-Syndrom liegt hier jedoch kein Funktionsverlust des Kanals vor, sondern der Kaliumkanal gewinnt eine Leitfähigkeit für Natrium. Dadurch werden in den Zellen der Nebennierenrinde Prozesse in Gang gesetzt, die zur Zellteilung und erhöhten Hormonproduktion führen. Interessanterweise haben wir Mutationen im gleichen Ionenkanal auch bei einigen Familien mit genetisch bedingtem Bluthochdruck gefunden, deren Nebennieren bereits im Kindesalter deutlich zu viel Aldosteron produzieren. Wir untersuchen derzeit, welchen Einfluss die verschiedenen identifizierten Mutationen auf den Krankheitsverlauf und die Therapie dieser Patienten haben. Eine weitere Frage ist, ob sich Tumoren mit KCNJ5-Mutationen klinisch anders verhalten als solche ohne KCNJ5-Mutationen. Als Langzeitperspektive wäre zu erhoffen, dass unsere Studien die Diagnose nicht nur der seltenen Fälle von extremem familiärem Bluthochdruck, sondern auch von aldosteronproduzierenden Tumoren (z.B. mittels eines Bluttests) erleichtern werden oder sogar zur Entwicklung nichtoperativer Therapiemöglichkeiten beitragen könnten. Eine populärwissenschaftliche englische Darstellung unserer Arbeiten zu Aldosteronproduzierenden Tumoren, insbesondere der Sequenzierungstechnologie, findet sich unter http://www.hhmi.org/bulletin/may2011/pdf/adrenal_tumors.pdf.
Publications
- (2010). KCNJ10: Report of a New Family with SeSAME Syndrome and Potential Role in the Maturing Tubule. Free Communication, American Society of Nephrology 43rd annual meeting, Denver, Colorado, USA
Scholl UI, Dave HB, Lu M, Listman J, Lifton RP
- (2011). K+ channel mutations in adrenal aldosterone-producing adenomas and hereditary hypertension. Science 331,768-72
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