Bindungsentwicklung und psychosoziale Anpassung von Pflegekindern; individuelle und soziale Einflussfaktoren
Final Report Abstract
Ausgehend von den Ausgangsfragen zur Entwicklung von Pflegekindern im ersten Jahr ihrer Vermittlung in eine Dauerpflegefamilie in einer deutschen Stichprobe kann festgehalten werden, dass sich insbesondere die Bindungssicherheit innerhalb der ersten Monate positiv entwickelte. Dies zeigte sich besonders auf der Verhaltensebene, aber auch innerhalb der Bindungsrepräsentation der Kinder wurden eine Reduzierung von Hyperaktivierung und Desorganisierung und eine leichte Zunahme an Sicherheit deutlich. Besonders interessant ist, dass die Veränderungen in der Bindungssicherheit insbesondere von aktuellen Umgebungsfaktoren abhingen, nämlich von der Feinfühligkeit, der instrumentellen Unterstützung und dem autoritativen Verhalten der Pflegeeltern. Insbesondere eher introvertierte Kinder profitierten dabei vom autoritativen Verhalten der Pflegeeltern. Die kognitive und motorische Entwicklung der Kinder verbesserte sich im ersten Jahr und hier insbesondere innerhalb der ersten sechs Monate nach Vermittlung in die aktuelle Pflegefamilie deutlich, blieb aber noch im Schnitt unterhalb der Normwerte. Ebenso nahmen Bindungsstörungssymptome innerhalb des ersten Jahres in der neuen Pflegefamilie deutlich ab. Sowohl bei enthemmten als auch bei gehemmten Bindungsstörungssymptomen war eine psychische Erkrankung der biologischen Eltern ein relevanter Faktor, was möglicherweise auch als Hinweis für genetisch vermittelte Faktoren interpretiert werden kann. Zudem ergaben sich jedoch einzelne Hinweise auf die Bedeutung spezifischer Variablen der Pflegeeltern (Stress und Elternverhalten), die jedoch weniger deutlich als bei der Vorhersage der Bindungssicherheit ausfielen. Verhaltensauffälligkeiten waren bei den Pflegekindern auch nach einem Jahr noch deutlich vorhanden und hingen sowohl bei internalisierendem als auch bei externalisierendem Problemverhalten insbesondere mit einem hohen Stressniveau der Pflegeeltern zusammen. Darüber hinaus zeigte sich auch, dass es hohe Zusammenhänge zwischen Verhaltensauffälligkeiten und gehemmten Bindungsstörungssymptomen gibt, die wiederum ein Jahr nach Vermittlung mit dem Ausmaß der Bindungssicherheit zusammenhingen. Insgesamt bedeuten die Ergebnisse für die Praxis, dass die Vermittlung von Kindern in eine Pflegefamilie auch bei älteren Kindern noch nachweisbare positive Effekte auf ihre Entwicklung haben kann. Allerdings zeigen Kinder auch nach einem Jahr noch vermehrt Verhaltensauffälligkeiten. Bedeutsam für die Praxis scheint daher zunächst die Differenzierung verschiedener Entwicklungsverläufe, da der Bindungsaufbau stärker als andere Entwicklungsbereiche durch die Erfahrungen in der Pflegefamilie beeinflusst werden. Um gelingende Pflegeverhältnisse zu ermöglichen, scheinen Interventionsmaßnahmen zur Unterstützung der Pflegeeltern und Reduzierung ihres Stressniveaus - vor allem bei später vermittelten Kindern aufgrund der stärker ausgeprägten Verhaltensauffälligkeiten - dringend notwendig. Diese sollten frühzeitig und vor dem Auftreten zu starker Belastung der Pflegefamilie als präventive Maßnahme eingesetzt werden, um langfristige negative Entwicklungsverläufe - auch im Bereich der Bindung - zu verhindern. Eine Längsschnittuntersuchung von Pflegekindern, auch über das erste Jahr ihrer Vermittlung hinaus, könnte Aufschlüsse über eine mögliche Stabilisierung der Bindungsmuster und Reduzierung von Verhaltensauffälligkeiten bieten sowie Einflussfaktoren identifizieren, die längerfristig Einfluss auf die Entwicklung der Pflegekinder haben.
Publications
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Kliewer-Neumann, J., Bovenschen, I., Roland, I.C., Lang, K., Spangler, G. & Nowacki, K.
(See online at https://doi.org/10.13109/prkk.2015.64.10.759)