Ziel des Projektes war es, die häufig mit dem Begriff „Managerialisierung“ belegten aktuellen Wandlungstendenzen von Staatlichkeit im Inneren darauf zu prüfen, ob und wie diese sich in der Interaktion zwischen ,Vertretern des Staates‘ und Bürgerinnen und Bürgern niederschlagen. Die grundlegende Annahme war, dass diese Wandlungstendenzen zu neuen Deutungsmustern und Habitusformen bei den Mitarbeitenden in öffentlichen Verwaltungen bzw. (ehemals) staatlichen Infrastrukturdienstleistern führen würden, die sich als Entpolitisierung beschreiben lassen; angenommen wurde ferner, dass sich vergleichbare Wahrnehmungen auch auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger finden ließen. Zur Prüfung dieser Annahmen wurden qualitative Interviews mit Mitarbeitenden in Bürger-, Standes- und Finanzämtern sowie der (bis vor kurzem) staatlichen Infrastrukturdienstleister Bahn und Post in zwei verschiedenen Regionen (und dort jeweils einer Groß- und einer Kleinstadt) sowie parallel dazu qualitative Interviews mit Bürgerinnen und Bürgern geführt, die diese Institutionen in Anspruch genommen hatten (Zahl der Interviews mit Mitarbeitenden: 61, mit Bürger/-innen: 71). In der Mehrzahl der Institutionen wurden auch Interaktionen (insgesamt 171) zwischen Bürger/-innen und Mitarbeitenden audiotechnisch aufgezeichnet. Als zentrales Ergebnis des Projektes lässt sich zwar tatsächlich ein deutlicher Wandel staatlichen Handelns weg von einem rein bürokratischen Modell (im Weber’schen Sinne) konstatieren. Entgegen den ursprünglichen Annahmen lässt sich dieser Wandel jedoch kaum als mentale und habituelle ,Entstaatlichung‘ im Sinne eines weitgehenden Bedeutungsverlusts von Hoheitlichkeit, als ein Abschied vom bürokratischen Modell charakterisieren; in diesem Sinne ,entstaatlichte‘ Deutungsmuster(-elemente) finden sich insbesondere bei den Mitarbeitenden in Verwaltungen bzw. ehemals staatlichen Infrastrukturdienstleistungsunternehmen nur sehr spärlich. Vielmehr verstehen und praktizieren diese ihre Tätigkeit fast durchgängig im Bewusstsein der Schranken, die durch die hoheitlichen oder zumindest hoheitlichkeitsaffinen Aspekte ihrer Tätigkeit gesetzt sind. Ihre Haltung den Bürger/-innen gegenüber lässt sich weniger als „Kundenorientierung“ (als eine zentrale Facette von Managerialisierung) denn im Sinne Rosanvallons politisch als „Nähe“ (Zugänglichkeit und Gesprächsführung ‚auf Augenhöhe‘) und „prozedurale Gerechtigkeit“ (im Sinne von Transparenz der gesetzlichen Vorgaben und prinzipieller Offenheit gegenüber Bürgerwünschen) charakterisieren. Analog dazu wird die Ausrichtung auf „Effizienz“ (als zweite zentrale Facette von Managerialisierung, die sich auf interne Abläufe und Strukturen bezieht) teilweise kritisch bewertet, und zwar nicht nur, weil sie in Widerspruch zu Sorgfaltspflichten treten kann, sondern auch, weil die Mitarbeitenden damit den Maximen der Nähe und der prozeduralen Gerechtigkeit nicht ausreichend entsprechen können (zu wenig Spielraum, auf Fallspezifika einzugehen oder Bürger/-innen zu beraten). Weitergehende Arbeiten befassen sich mit detaillierten Analysen der Interaktionen zwischen Verwaltungsmitarbeiter/-innen und Bürger/-innen, die den deliberativen Charakter von Konfliktbearbeitungsstrategien herausarbeiten sollen, mit der Rekonstruktion der Wahrnehmungen der Amtspraxis durch die Bürger/-innen, mit den Bewertungen der durch die (Teil-)Privatisierung bewirkten Umbrüche bei den ehemals staatlichen Dienstleistern Post und Bahn oder mit den Folgen der Änderungen für die Anerkennungsverhältnisse zwischen Beschäftigten öffentlicher Dienste und Bürger/-innen einerseits sowie Vorgesetzten bzw. Kolleg/-innen anderseits. Vertiefend herauszuarbeiten bleiben die Implikationen der Analysen für soziologische Staatstheorien und generell für die Rolle des Staates in der Soziologie.