In dieser Arbeit wurde ein Beitrag zum Verständnis des Wechselverformungsverhaltens teilchengehärteter Legierungen im VHCF-Bereich erarbeitet. Technische Werkstoffe erfahren häufig zur Optimierung ihrer mechanischen Eigenschaften eine mechanische Vorbehandlung oder werden bei der Bauteilherstellung einer derartigen Behandlung unterworfen. Ziel war es daher, den Einfluss einer definierten Vorverformung (Vorgeschichteabhängigkeit) und des Ausscheidungszustands auf das Ermüdungsverhalten im VHCF-Bereich (bei Raumtemperatur und isothermer Beanspruchungstemperatur bis 800°C) auf der Basis der Mikrostruktur möglichst vollständig zu beschreiben, um die Erkenntnisse zur Ermüdung einer - mikroskopisch betrachtet - lokal auftretenden zyklischen plastischen Verformung moderner technischer Legierungen unter komplexen Anwendungsbedingungen zu erweitern und zu vertiefen. Neben den bereits genannten Einflüssen ist auch die Oberflächenbehandlung (mechanisch oder elektrolytisch poliert) und das Versetzungsgleitverhalten im VHCF-Bereich von großer Bedeutung. Zu den planar gleitenden teilchengehärteten Legierungen wurde daher zusätzlich als Referenzwerkstoff das Ermüdungsverhalten von reinem Nickel (welliges Gleiten) im VHCF-Bereich untersucht. Für die Ermüdungsversuche standen drei hochmoderne Prüfmaschinen zur Verfügung, wobei Versuche mit Frequenzen von ca. 130 Hz (Resonanzprüfmaschine), 760 Hz (servohydraulische 1 kHz-Prüfmaschine) und ca. 20 kHz (Ultraschallprüfmaschine) durchgeführt wurden. Somit konnten in einem vertretbaren Zeitaufwand 107 bis 1010 Lastwechsel erreicht werden. Zu isothermen Wechselverformungsversuchen bei Raumtemperatur (RT), 400°C, 600°C und 800°C liegen umfangreiche Ergebnisse vor. Überraschenderweise kennzeichnet den überalterten Zustand bei den durchgeführten Versuchen bis 600°C eine leicht erhöhte Schwingfestigkeit gegenüber dem maximal ausscheidungsgehärteten Zustand im VHCF-Bereich. Zu einem signifikanten Abfall der VHCF-Lebensdauer kommt es unabhängig vom Ausscheidungszustand bei einer isothermen Prüftemperatur von 800°C. Die Rissinitiierung erfolgte je nach Oberflächenzustand ausnahmslos an der Oberfläche bzw. im oberflächennahen Bereich. Nach einer Vorverformung und anschließender Wechselverformung bei Raumtemperatur (RT) nimmt die Schwingfestigkeit im Vergleich zum unvorverformten Zustand mit steigendem Ausscheidungsgrad ab, während reines Nickel ein konträres Verhalten zeigt. Mit steigender Versuchstemperatur reduziert sich der negative Vorverformungseinfluss auf die VHCF- Lebensdauer. Dabei zeigt sich, dass sich in Abhängigkeit vom γ’-Ausscheidungs- und Vorverformungsgrad bei 600°C und 800°C aufgrund von Erholungsprozessen eine sehr stabile Versetzungsnetzwerkanordnung einstellt, wodurch das Gleitverhalten insgesamt homogener wird und somit die VHCF-Ermüdungsfestigkeit ansteigt. Dabei wird bei 800°C ein Übergang von trans- zu interkristalliner Mikrorissbildung an der Oberfläche beobachtet. Das beobachtete Werkstoffverhalten, wie z.B. die Gleitbandbildung an Oberflächenkörnern, die Wechselwirkungen zwischen Versetzungen und Ausscheidungen sowie der Einfluss der Oxidschicht wurde auf der Basis der Ergebnisse der mikrostrukturellen Untersuchungen mittels Raster- und Transmissionselektronenmikroskopie charakterisiert und mündete in der Entwicklung einer schematischen Beschreibung des Verformungsverhaltens. Die Untersuchungen verdeutlichen, dass für eine ausfallsichere Lebensdauervorhersage von Nickelbasis-Superlegierungen die bisher beobachteten Phänomene zum VHCF-Verhalten noch keine ausreichende Basis darstellen, um eine physikalisch basierte Lebensdauervorhersage durchführen zu können. Für zukünftige Untersuchungen ist daher eine genaue Zuordnung der mikrostrukturellen Vorgänge zu dem eigentlich höchstbeanspruchten Werkstoffgefügebereich erforderlich. Mittels der FIB-Technologie können in Zukunft weitere Erkenntnisse zur Eingrenzung der tatsächlich wirkenden Schädigungsmechanismen gewonnen werden.