Der globale Agrarmarkt befindet sich seit einigen Jahren in einem dynamischen und fundamentalen Umbruch. Produkte und Regionen sind davon ebenso betroffen wie die Organisation der Produktion, die Konfiguration von Wertschöpfungsketten und die entwicklungspolitische Bewertung einer weltmarktorientierten Landwirtschaft. Das Projekt „Der neue globale Agrarmarkt und seine unscharfen Ränder“ ging von der Überzeugung aus, dass dieser Umbruchsprozess, die Ausbreitung einer marktwirtschaftlichen Produktionsorganisation im Allgemeinen und die Integration in globale Märkte im Speziellen hochgradig voraussetzungsvolle und erklärungsbedürftige Prozesse sind. Es konzentrierte sich dementsprechend darauf, wie sich diese Prozesse vollziehen und untersuchte diese Frage anhand von zwei Fallbeispielen in Ghana, in denen internationale Agrarunternehmen als Schnittstelle zum globalen Markt dienen und Kleinbauern über Vertragsanbauvereinbarungen integriert werden. Die Frage „Wie?“ (und nicht „Warum?“) in den Vordergrund zu rücken bedeutet, Kategorien wie den „Markt“ oder auch „marktrationale Subjekte“ als Ergebnisse von Formatierungsprozessen anzusehen und deren ideologischen Gehalt dort offen zu legen, wo sie als „natürlich“ vorausgesetzt werden. So konnte nachvollzogen werden, in welcher Weise sich soziale Rollen und Beziehungen im Zuge der Marktintegration verändern und wie Vertrauen, asymmetrische Abhängigkeitsverhältnisse und Strategien des governing at a distance durch globale Produktions- und Produktstandards zusammenwirken, um die Zulieferbasis der Exporteure zu stabilisieren. Dabei wurde deutlich, wie der „Markt“ als eine entpolitisierende Zielvorgabe wirksam wird, deren Etablierung Kritik an konkreten Praktiken zum Schweigen bringt und es wurde sichtbar, wie insbesondere mit Verweis auf technische Verfahren und Instrumente Normalität und vermeintliche Objektivität hergestellt werden. Gleichzeitig wurde aber auch herausgearbeitet, in welchen Zusammenhängen es zu implizitem Widerstand oder zu expliziten Neuaushandlungen von Marktarrangements kommt. Schließlich wurde detailliert rekonstruiert, welche Bedeutung gerade in frontier regions von Marketization-Prozessen nicht-marktlichen Akteuren wie NGOs und staatlichen Institutionen zukommt, um Marktbeziehungen zu etablieren und wie somit privatwirtschaftliche Profitinteressen mit gesamtgesellschaftlichen Entwicklungskonzepten verbunden werden. Zu den größten Überraschungen im Verlauf der Projektarbeit zählten sicherlich die vielen kleineren und größeren, in ihren Ursachen und Wirkungen äußerst unterschiedlichen Krisen, welche den Prozess der Ausweitung des globalen Agrarmarktes in Ghana kontinuierlich begleiteten: Ertragsprobleme der Anbauprodukte, Flugverbote wegen Vulkanasche und damit Exportausfälle, die Umstellung auf die neue Ananasvarietät MD2 oder Kritik an der Organic-Zertifizierung wegen des CO2-Footprints bei Luftfracht, aber auch Kreditausfälle, ‚Side Selling’ der Vertragsbauern und Buschfeuer. Sie erforderten permanente Neuverhandlungen und Neukonfigurationen des Marktes und zeigten unmissverständlich, wie irreführend eine Reifizierung der Idee des „Marktes“ bzw. die Vorstellung natürlicher, statisch-stabiler oder homogener Märkte ist. Eindrucksvoll wurde damit die Ausgangsannahme des Projekts bestätigt, dass Märkte als voraussetzungsvolle und kontinuierliche Konstruktionsprozesse zu konzeptualisieren sind.