In den beiden synaptischen Schichten der Retina werden aus den quantenabhängigen Erregungen der Photorezeptoren durch eine Vielzahl synaptischer Interaktionen die Grundelemente der visuellen Wahrnehmung wie Kontur, Farbopponenz, Bewegung und Bewegungsrichtung, Objekt‐Hintergrund Segregation herausgearbeitet und durch Ganglienzellen repräsentiert. Bei der Generierung der entsprechenden Ganglienzellantworten spielen laterale inhibitorische Prozesse eine entscheidende Rolle, was allein schon durch die große Anzahl und morphologische Vielfalt der inhibierenden Interneurone in der Retina dokumentiert wird. In der äußeren plexiformen Schicht sind es Horizontalzellen, die ein gekoppeltes Netzwerk bilden und über eine negative Rückkopplung mit den Photorezeptoren inhibierend interagieren. Ihnen wurde eine bedeutende Rolle bei der Generierung der antagonistischen Peripherie der rezeptiven Felder von Ganglienzellen zugeschrieben, ohne dass dafür direkte Evidenzen vorlagen. Wir haben zwei Tiermodelle entwickelt, bei denen zum einen die elektrische Kopplung der Horizontalzellen blockiert ist und zum andern eine selektive Ablation der Horizontalzellen möglich ist. Beide Tiermodelle wurden mit histologischen und elektrophysiologischen Methoden analysiert. Die Resultate zeigten, dass die Blockade der elektrischen Synapsen die synaptischen Verbindungen der Horizontalzellen mit den Photorezeptoren nicht beeinflusste und auch die Ionenströme der Horizontalzellen sich nicht von denen aus Kontrolltieren unterschieden. Die rezeptiven Felder der Horizontalzellen waren aufgrund der fehlenden elektrischen Kopplung erwartungsgemäß jedoch sehr viel kleiner. Wenn die Horizontalzellen wesentlich zu der Generierung der rezeptiven Felder von Ganglienzellen beitragen, sollte sich diese Reduktion in deren Antworten niederschlagen. Multielektrodenableitungen von Ganglienzellen zeigten jedoch, dass dies nicht der Fall ist. Damit konnten wir zum ersten Mal nachweisen, dass die elektrische Kopplung der Horizontalzellen die rezeptiven Felder von Ganglienzellen nicht beeinflusst und damit Horizontalzellen keine entscheidende Rolle bei der Generierung der rezeptiven Felder spielen. Die Ablation der Horizontalzellen im zweiten Tiermodell resultierte überraschenderweise in größeren Veränderungen der synaptischen Verbindungen, so dass die geplanten funktionellen Untersuchungen nicht durchgeführt werden konnten. Allerdings ist die festgestellte Plastizität der adulten Retina ein aufregender Befund, der in einem Folgeprojekt vertieft werden soll.