Der andauernde Trend zur Miniaturisierung von mechanischen und mechatronischen Systemen, z.B. in der Elektrotechnik oder Medizintechnik, führt zu einem kontinuierlichen Anstieg der Nachfrage nach metallischen Kleinstteilen. Für die wirtschaftliche Massenproduktion dieser kleinsten Bauteile bietet sich besonders die Umformtechnik mit ihren aus dem konventionellen Größenmaßstab bekannten Vorteilen wie hohe Mengenleistung oder endkonturnahe Fertigung an. Allerdings treten bei der Skalierung von Umformprozessen in den Mikrobereich sog. Größeneffekte auf, die eine industrielle Verbreitung der Mikroumformtechnik derzeit noch behindern. Einer dieser Größeneffekte führt zu einem deutlichen Anstieg der Reibung bei der Verkleinerung der Werkstückdimensionen. Zur Schaffung eines verbesserten Verständnisses der Tribologie in der Mikroumformtechnik ist die Erfassung und Charakterisierung des Kontaktzustandes zwischen Werkstück und Werkzeug unerlässlich. Der Fokus wurde dabei auf den Kontaktzustand unter Grenzreibungsbedingungen gelegt, wie er bei mikroumformtechnischen Prozessen typisch ist. Es sollte vor allem die Frage geklärt werden, ob sich innerhalb der wahren Kontaktfläche eine Rauheit zweiter Ordnung ausbildet und ob diese einen Einfluss auf die tribologischen Verhältnisse hat. Hierfür wurde eine Mikroumformeinheit entwickelt, welche die hochgenaue Einglättung kleinster Topographiemerkmale und gleichzeitig die in-situ Beobachtung der sich ausbildenden wahren Kontaktfläche erlaubt. Der Einsatz eines transparenten Werkzeugs aus Saphirglas erlaubt die visuelle Beobachtung der Kontaktfuge und die Charakterisierung der entstehenden wahren Kontaktfläche. Da reale Oberflächentopographien für grundlegende Untersuchungen an einzelnen Rauheitsspitzen aufgrund der geringen Reproduzierbarkeit nicht geeignet sind, wurden physikalische Modelle von Rauheitsspitzen basierend auf Topographienanalysen realer Oberflächen entwickelt. Die pyramidenförmigen Strukturen mit einer Grundfläche von 120 x 120 µm2 und einer Höhe von 5 µm beziehungsweise 32 µm sind aus dem Werkstoff Kupfer hergestellt. Mittels Einebnungsversuchen konnte anhand der physikalischen Modelle von Rauheitsspitzen innerhalb der wahren Kontaktfläche eine Rauheit zweiter Ordnung durch das transparente Werkzeug festgestellt werden, die sich während der Einglättung aufgrund der kristallinen Struktur der Rauheitsspitzen ausbildet. Ein Einfluss dieser Rauheit zweiter Ordnung auf das Einglättungsverhalten konnte beim Einsatz von flüssigen Schmierstoffen unter Grenzreibungsbedingungen festgestellt werden. Bestimmte Schmierstoffe führen bei gleicher nomineller Kontaktnormalspannung zu einer Verringerung der sich ausbildenden wahren Kontaktfläche. Dieses Phänomen ist nach Finite-Element Analysen des Einebnungsvorganges nicht auf eine Veränderung der Reibbedingungen innerhalb der wahren Kontaktfläche zurückzuführen. Stattdessen überträgt der Schmierstoff unter bestimmten Umständen einen Teil der aufgebrachten Stempelkraft, weshalb sich bereits bei einer kleineren wahren Kontaktfläche ein Gleichgewicht zwischen der Stempelkraft und der tatsächlichen Kontaktnormalspannung einstellt. Die Schmierstoffeigenschaften, welche für die Ausbildung des Stützeffektes verantwortlich sind, konnten im Rahmen dieser Arbeit nicht zweifelsfrei identifiziert werden, sind jedoch in der chemischen Zusammensetzung der Schmierstoffe beziehungsweise deren Molekülstruktur, charakterisiert beispielsweise durch die durchschnittliche Moleküllänge, zu suchen. Zur Validierung der physikalischen Modelle von Rauheitsspitzen wurden Mikrozylinderstauchversuche mit geschliffenen Stirnflächen durchgeführt. Der an den idealisierten Rauheitsspitzen identifizierte Stützeffekt konnte auch bei der Einebnung geschliffener Oberflächen unter Umformbedingungen nachgewiesen werden. Mittels Mikrostreifenziehversuchen konnte ein positiver Einfluss des Stützeffekts auf die Reibbedingungen im Modellversuch in Form einer Reibzahlreduktion aufgezeigt werden. Allerdings tritt dieser positive Effekt im vorliegenden Fall nur bei sehr kleinen nominalen Kontaktflächen auf, bei welchen von einem Grenzschmierungszustand ausgegangen werden kann. Bei einer Vergrößerung der nominalen Kontaktfläche wird der positive Einfluss des Stützeffekts von anderen Schmiermechanismen, zum Beispiel hydrostatischer Natur, überlagert. Somit sind die Auswirkungen des Stützeffektes auf die Reibung stets im Kontext der vorliegenden nominalen Kontaktfläche in Verbindung mit der Oberflächentopographie des Werkstückes zu sehen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass im Rahmen dieses Projekts das grundlegende Wissen zum Kontaktzustand zwischen Werkstück und Werkzeug bei mikroumformtechnischen Prozessen erweitert werden konnte. Diese grundlegenden Erkenntnisse sind erforderlich, um industriell relevante Fragestellungen beantworten zu können. Hierzu zählen neben der Weiterentwicklung der funktionalen Oberflächencharakterisierung vor allem eine verbesserte, physikalisch motivierte Reibungsmodellierung für die numerische Prozesssimulation sowie die zielgerichtete Einstellung der Reibung im Umformprozess mittels maßgeschneiderter Oberflächen. Im Rahmen zukünftiger Arbeiten ist es deshalb erforderlich, die gewonnenen Erkenntnisse auf andere Werkstoffpaarungen zu übertragen. Darüber hinaus ist es notwendig, den Geometrieeinfluss der Topographiemerkmale auf den Stützeffekt genauer zu untersuchen. Ebenso müssen die Schmierstoffeigenschaften, welche den Stützeffekt bedingen, identifiziert werden, um in Verbindung mit einer Optimierung der Topographie der Kontaktpartner die positiven Auswirkungen des Stützeffekts maximieren und damit die Tribologie im Umformprozess verbessern zu können. Vor diesem Hintergrund ist eine gemeinsame Betrachtung sowohl der physikalischen als auch der chemischen Wirkmechanismen in der Kontaktfuge wünschenswert, um eine umfassende Charakterisierung und Modellierung der Reibung zu ermöglichen.