Phylogenie und Evolution der Monoplacophoren und basaler Mollusken, rekonstruiert anhand morphologischer und molekularer Datensätze
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das übergeordnete Ziel dieses Projektes war die Rekonstruktion der Phylogenese und Evolution der Mollusken, unter Einbeziehung der seltenen und schwer erhältlichen Monoplacophoren, anhand molekularer und morphologischer Daten. Erstmals analysierten wir multilocus DNA-Sequenzen von drei Monoplacophoren-Arten zusammen mit einem großen, möglichst repräsentativen Datensatz weiterer Mollusken. Die resultierenden Stammbäume stützten die umstrittene Serialia-Hypothese, nach der Monoplacophoren und Polyplacophoren Schwestergruppen darstellen. Während multilocus Marker die präkambrischen/frühkambrischen Aufspaltungen der Mollusken in rezente Klassen nicht zuverlässig klären konnten, erschienen sie sehr informativ innerhalb der tiefen Phylogenie von Subgruppen der Mollusken, etwa der Gastropoda und Polyplacophora. Phylogenomische Rekonstruktionen der Gastropodenphylogenie verliefen sehr erfolgreich. Unsere frühen Rekonstruktionen des Molluskenstammbaumes anhand von Sequenzen des mitochondrialen Genoms deuteten darauf hin, dass ungewöhnliche Genanordnungen im Mitogenom die Sequenzevolution beeinflussen, was zu ähnlichen Basenkompositionen, langen Ästen im Baum und artifiziellen Schwestergruppen führen kann. Inzwischen haben wir mithilfe von Illumina-Hochdurchsatzverfahren die ersten vollständigen Mitogenome von Monoplacophoren sequenziert. Phylogenetische Analysen bestätigen die momentan anhand phylogenomischer Analysen favorisierte Aculifera/Conchifera-Hypothese jedoch nicht; Vergleiche der Genanordnungen verschiedener Molluskenklassen deuten unerwartete Konvergenzen auch bei diesen genomischen Merkmalen an. Detaillierte mikroanatomische Studien an Vertretern verschiedener Molluskenklassen erbrachten bedeutende neue Erkenntnisse. So fanden wir neue Organe bei Chitonen und Scaphopoden und konnten die Lehrbuchdarstellungen zentraler Nervensysteme und Sinnesorgane beider Gruppen korrigieren und ergänzen. Weitere vergleichende Studien werden ähnlich spannende Ergebnisse bringen. Morphologisch-kladistische Analysen verfügbarer, lückiger Daten innerhalb der Mollusca stützten die traditionelle Testaria Hypothese, jedoch litten die Datensätze unter Selektivität der Taxa und Merkmale, der ambivalenten Interpretation von Homologien und des generell hohen Niveaus an morphologischen Konvergenzen und Merkmalsverlusten. Umfangreiche phylogenomische Analysen sind in Vorbereitung. Die frühe Phylogenie der Mollusken ist zwar noch umstritten, ein früher gerade von europäischen Autoren favorisiertes Evolutionsszenario von simplen wurmartigen Vorfahren zu immer komplexeren Schalenträgern ist jedoch unwahrscheinlich. Unseren molekularen Zeitbäumen nach war der "Urmollusk" Chiton- oder Gastropoden-ähnlich und spät präkambrisch; das Vendische Makrofossil "Kimberella" könnte demnach sehr wohl ein Stamm-Mollusk gewesen sein; und die Aufspaltung in heutige Molluskenklassen verlief sehr schnell, vermutlich noch im Kambrium. Dies erklärt die unzureichende Auflösung verschiedenster Merkmalssätze sowie die widersprüchlichen Signale innerhalb und zwischen den Merkmalssätzen. Zur Klärung der Molluskenphylogenie sollten sämtliche gängigen und neuartigen Merkmalsgruppen, ob paläontologisch, neontologisch, ontogenetisch, mitochondrialer oder nukleärer Sequenzen oder seltener genomischer Ereignisse, ihren Beitrag liefern. Bevor die Evolution widersprüchlicher Signale nicht hinreichend verstanden ist, kann die Molluskenphylogenie nicht als geklärt gelten.