Rastertransmissionselektronenmikroskopie bei niedrigen Elektronenenergien: Grundlegende Prinzipien, Modellierung und Quantifizierung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ziele des Projektes waren methodische Untersuchungen und Anwendung der STEM im Rasterelektronenmikroskop. Inzwischen sind STEM Detektoren für nahezu alle Rasterelektronenmikroskope als Standardzubehör verfügbar und erweitern die Möglichkeiten der Materialcharakterisierung in Rasterelektronenmikroskopen erheblich. Durch die Installation einer axialen CCD Kamera können Transmissionsbeugungsbilder aufgenommen werden, die für Kristallstrukturanalysen und Einstellung von definierten Beugungsbedingungen essentiell sind. Das Fehlen dieser Möglichkeit stellte bisher eine erhebliche Limitierung für STEM im Rasterelektronenmikroskop dar, die nun aufgehoben ist. Besonders geeignet für STEM Untersuchungen im Rasterelektronenmikroskop sind strahlungsempfindliche (bzgl. Verlagerungsschädigung) Materialen, Nanomaterialien und schwach streuende Materialien (Polymere oder Materialien aus den Lebenswissenschaften). Jedoch konnten wir zeigen, dass auch konventionell präparierte TEM Proben aus massiven Festkörpern bei 30 keV gut untersucht werden können. Ein großer Vorteil von STEM in Rasterelektronenmikroskopen ist die Verfügbarkeit von Sekundär- und Rückstreuelektronendetektoren für Topographie- und Materialkontrast-Abbildungen. Es hat sich im Laufe des Projektes gezeigt, dass die gleichzeitige Aufnahme von SEM und STEM Abbildungen (korrelative STEM/SEM) wertvolle Zusatzinformationen im Vergleich zu alleiniger Anwendung von STEM liefert. Die Auflösung von (im besten) Fall 3,3 Å im Hellfeld-STEM Modus ist noch deutlich schlechter als für STEM bei hohen Energien. Sie ist jedoch durchaus ausreichend, um viele Fragenstellungen in der Materialforschung und den Lebenswissenschaften zu beantworten. Voraussetzung für quantitative Auswertungen von STEM Abbildungen ist die genaue Berechnung von STEM Intensitäten. Hierzu sind Monte-Carlo Simulationen gut etabliert. Anhand von Proben mit bekannter Zusammensetzung und Dicke können STEM Intensitäten zwischen 15 und 30 keV in vielen Fällen gut durch MC-Simulationen beschrieben werden. Es gibt jedoch Ausnahmen, in denen dies nicht gelingt. Da der elastische differentielle Streuquerschnitt die Ergebnisse von MC-Simulationen wesentlich beeinflusst, führen wir diese Diskrepanzen darauf zurück, dass keiner der bekannten Ansätze aus der Literatur geeignet ist, Materialien über einen großen Bereich von Ordnungszahlen im betrachteten Bereich der Elektronenenergien gut zu beschreiben. Wir haben deshalb Abschirmparameter bzw. Abschirmradien in Abhängigkeit von der Ordnungszahl des Probenmaterials bestimmt, die eine veränderter Ordnungszahlabhängigkeit zeigen als bisherige Ansätze. Damit können STEM Intensitäten von Einzelelementproben sowie auch Verbindungen aus mehreren Elementen gut beschrieben werden. Die Elektronenstrahlaufweitung nimmt bei niedrigen Elektronenenergien schneller als bei hohen Elektronenenergien zu. Zur genaueren Untersuchung dieses Effektes haben wir eine Methode entwickelt, mit der der Strahldurchmesser an der Probenunterseite gemessen werden kann. Die experimentellen Ergebnisse lassen sich sehr gut mit dem Modell von Gauvin und Rudinsky (2016) erklären. Im Gegensatz zu älteren analytischen Ansätzen, bei denen der Strahldurchmesser proportional zur t1,5 (t TEM-Probendicke) zunimmt, ist die Strahlaufweitung proportional zu t2 bei Probendicken, die kleiner als die elastische freie Weglänge sind. Es gelang außerdem durch gezielte Einstellung von Zweistrahlbedingungen, Burgers Vektoren von Versetzungen und Verschiebungsvektoren von Stapelfehlern mit STEM im Rasterelektronenmikroskop zu bestimmen. Hellfeld- und Dunkelfeld- STEM Beugungskontrast Abbildungen wurden dabei mit dem g ∙ b Kriterium ausgewertet.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Measurement of electron-beam broadening for amorphous carbon in low-energy STEM, Ultramicroscopy 185, 65 (2017)
H. Drees, E. Müller, M. Dries, D. Gerthsen
(Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.ultramic.2017.11.005) - On the progress of scanning transmission electron microscopy (STEM) imaging in a scanning electron microscope, Microsc. Microanal. 24, 99 (2018)
C. Sun, E. Müller, M. Meffert, D. Gerthsen
(Siehe online unter https://doi.org/10.1017/S1431927618000181) - Analysis of crystal defects by scanning transmission electron microscopy (STEM) in a modern scanning electron microscope. Adv. Struct. Chem. Imag. 5, 1 (2019)
C. Sun, E. Müller, M. Meffert, D. Gerthsen
(Siehe online unter https://doi.org/10.1186/s40679-019-0065-1) - Differential electron scattering crosssections at low electron energies: The influence of screening parameter, Ultramicroscopy 207, 112843 (2019)
M.Čalkovský, E.Müller, M.Hugenschmidt, D.Gerthsen
(Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.ultramic.2019.112843) - Electron beam broadening in thin samples at low electron energies, J. Microscopy 274, 150 (2019)
M. Hugenschmidt, E. Müller, D. Gerthsen
(Siehe online unter https://doi.org/10.1111/jmi.12793) - Imaging of polymer:fullerene bulkheterojunctions in a scanning electron microscope: methodology aspects and nanomorphology by correlative SEM and STEM. Adv. Struct. Chem. Imag. 6, 2 (2020)
Y. Li, E. Müller, C. Sprau, A. Colsmann, D. Gerthsen
(Siehe online unter https://doi.org/10.1186/s40679-020-00069-4)