Die hierarchische Stärkung von Universitätspräsidenten durch die Landesgesetzgebung zeigt in der Praxis der Hochschulleitung nur begrenzte Wirkung. Nach wie vor wird das Handeln von Universitätspräsidenten in hohem Maße durch eine Orientierung an Kollegialitätsnormen bestimmt. Gerade bei strittigen Reformprojekten stellt Kollegialität eine Ressource dar, um Konsens herzustellen. Die kollegiale Orientierung ergibt sich vor allem aus dem akademischen Karriereweg der Leiter, die sowohl wissenschaftliches Kapital (Reputation) als auch institutionelles Kapital (Einfluss) vorweisen müssen, um gewählt zu werden. Universitätspräsidenten sind in aller Regel Professoren, werden intern rekrutiert und haben Positionen in verschiedenen universitären Selbstverwaltungs- und Leitungsorganen (Dekan, Vizepräsident) bekleidet. Aber nicht nur die Kollegialität schränkt ihren Einfluss ein. Zudem ist ihre Macht durch die teils gesetzlich festgeschriebenen, teils informellen Einflusspotenziale anderer Akteure begrenzt. Dies zeigt sich gerade bei Veränderungsprozessen. Zwar schreiben sich die Präsidenten durchaus eine Veränderungsfunktion zu. Zur Realisierung von einschneidenden Reformprojekten müssen sie sich jedoch der Unterstützung von Organen der akademischen Selbstverwaltung wie des Senats und anderer einflussreicher Akteure vergewissern. Entscheidungen gegen erklärten Widerstand einer größeren Zahl einflussreicher Beteiligter werden dagegen nur im Ausnahmefall getroffen. Stattdessen greifen die Präsidenten auf informelle Einflussmöglichkeiten zurück, um Reformen durchzusetzen. Dazu gehören nicht zuletzt von Universitätspräsidenten eingesetzte Arbeitsgruppen, die Reformen vorbereiten, ihre Umsetzung begleiten und sie dadurch mit Legitimation ausstatten. Der Hochschulrat spielt bei Reformprozessen als Berichtsinstanz eine eher geringe Rolle, während die Wissenschaftsministerien von den Präsidenten stärker beteiligt werden. Ambivalent das ist Verhältnis der Präsidenten zum akademischen Senat: Einerseits wird dieser als Widersacher von Veränderungen beschrieben, andererseits aber zugleich als Bündnispartner zur Erzeugung der notwendigen Legitimation von Entscheidungen eingebunden. Insgesamt zeigt die Analyse der Leitung in Universitäten, dass formale Entscheidungswege wichtig, doch alleine nicht ausreichend sind, um große Reformvorhaben durchzusetzen. Die Präsidenten müssen in ihrer Leitungspraxis daher formale und informelle Einflussmöglichkeiten ausbalancieren. Überraschend war das hohe Maß an Kollegialität, das die Praxis von Universitätsleitern heute bestimmt und sich an der Homogenität der Karrierewege ablesen lässt. Die vom New Public Management propagierte Stärkung der universitären Binnenhierarchie hat sich in der Praxis jedenfalls nicht in der Weise durchgesetzt, wie Befürworter gehofft und Gegner befürchtet hatten. Auf der Basis von Telefoninterviews mit Nadja Bieletzki und Bernd Kleimann wurden Stellungnahmen aus dem Projektzusammenhang im Rahmen eines Artikels von Bastian Berbner in der ZEIT (Nr. 9 vom 21.2.2013) unter dem Titel „Die Halbstarken“ veröffentlicht. Vgl. http://www.zeit.de/2013/09/Hochschule-Uni-Praesidenten