Passivitätsbasierte Regelung strukturumschaltender nichtlinearer Systeme
Final Report Abstract
Die ständig steigenden Anforderungen an Dynamik und Energieeffizienz von Regelungssystemen erfordern zunehmend den Einsatz von modernen Entwurfsmethoden, die auf präzisen Modellen der Strecke basieren. In den meisten Fällen sind diese Modelle nichtlinearer Natur, und häufig sind auch schaltende Modelle notwendig, um das Verhalten technischer Systeme abzubilden. Trotzdem gibt es bislang nur wenige Ergebnisse zum Reglerentwurf für schaltende nichtlineare Systeme. Dieser wird dadurch erschwert, dass die Schaltvorgänge instabiles Verhalten hervorrufen können, selbst wenn alle Teilsysteme asymptotisch stabil sind, so dass es nicht ausreicht, jedes Teilsystem für sich zu stabilisieren. Existierende Verfahren sind meist nur auf spezielle, vergleichsweise restriktive Systemklassen anwendbar. Daher ist die Entwicklung weiterer Regelungsansätze für schaltende nichtlineare Systeme erforderlich, sowohl für die Festwertregelung als auch für die wichtige Aufgabe der Trajektorienfolge. Um die Integration nichtlinearer Regelungsverfahren in den industriellen Produktentwicklungsprozess zu erleichtern, gilt es dabei möglichst systematische und konstruktive Entwurfsmethoden zu entwickeln, mit denen sich die Eigenschaften des geregelten Systems transparent einstellen lassen. Im Rahmen dieses Forschungsvorhabens ist die passivitätsbasierte Reglerentwurfsmethode Interconnection and Damping Assignment Passivity Based Control (IDA-PBC) auf die Klasse der schaltenden Systeme übertragen worden. Dabei wird dem geschlossenen Regelkreis eine schaltende Port-Hamiltonsche Struktur mit gemeinsamer Energiefunktion zugewiesen und so asymptotische Stabilität der Ruhelage erzielt. Die Methode generiert alle schaltenden Zustandsrückführungen, welche die Strecke unter beliebigem Schalten asymptotisch stabilisieren. Für eine spezielle Systemklasse wurde ein systematisches Vorgehen für den Reglerentwurf erarbeitet. Für die Auslegung des Reglers wurde ein Ansatz entwickelt, der neben der Dynamik des geschlossenen Regelkreises auch die Größe des Einzugsbereiches berücksichtigt, und der sowohl für die Synthese schaltender als auch nicht-schaltender Regelkreise anwendbar ist. Der Einzugsbereich ist die Menge aller Anfangszustände, für welche die Trajektorien eines dynamischen Systems gegen eine bestimmte Ruhelage streben, und spielt als solche eine wichtige Rolle beim Entwurf nichtlinearer Regelkreise. Es wurden zwei numerische Verfahren für die Abschätzung des Einzugsbereiches der gewünschten Ruhelage entwickelt. Basierend darauf wurde eine Methode erarbeitet, um eine Reglerparametrierung zu ermitteln, welche den Einzugsbereich maximiert und gleichzeitig gewünschte Dynamik erzielt. Zur Berücksichtigung des dynamischen Verhaltens wurde dabei die am Lehrstuhl des Antragstellers entwickelte Methode der Zuweisung lokal linearer Dynamik verwendet. Außerdem wurde das Trajektorienfolgeproblem für schaltende nichtlineare Systeme mit zwei Teilsystemen betrachtet, sowohl für den Fall des beliebigen Schaltens als auch für den Fall des zustandsund/oder eingangsabhängigen Schaltens. Es wurden notwendige und hinreichende Bedingungen hergeleitet, unter denen ein Eingangssignal existiert, so dass der Ausgang des schaltenden Systems einer gewünschten Trajektorie folgt. Aufgrund von Modellierungsungenauigkeiten, Anfangswertstörungen etc. ist es in der Regel nötig, zusätzlich eine Regelung zu entwerfen, welche den Tracking-Fehler stabilisiert. Es zeigt sich, dass dies, insbesondere wenn die Schaltvorgänge des Systems vom Zustand und/oder dem Eingang bestimmt werden, im Allgemeinen keine leichte Aufgabe ist. Daher wurden zwei spezielle Klassen von Systemen identifiziert, für die das Stabilisierungsproblem deutlich vereinfacht werden kann. Für den Entwurf und die Auslegung eines Regler für das schaltende zeitvariante Fehlersystem wurden die für den zeitinvarianten Fall entwickelten Methoden entsprechend erweitert. Für die Klasse der mechanischen Systeme wird in der Regel eine Variante von IDA-PBC verwendet, bei der dem geschlossenen Regelkreis eine mechanisch motivierte Struktur zugewiesen wird. Dabei kann die in nicht aktuierten Freiheitsgraden auftretende Reibung den Entwurf eines stabilisierenden Reglers verhindern. Um diesem Problem zu begegnen, wurde eine Verallgemeinerung des Ansatzes für mechanische Systeme erarbeitet. Über die im Antrag vorgesehenen Forschungsthemen hinaus ist ein Ansatz entwickelt worden, um für nicht-schaltende Systeme einen Satz von verschieden ausgelegten IDA-PBC-Reglern zu entwerfen, zwischen denen beliebig geschaltet werden kann, ohne die Stabilität zu gefährden. Dies ist besonders interessant wenn beim Reglerentwurf mehrere sich widersprechende Kriterien berücksichtigt werden müssen. Dann kann durch geeignetes Schalten zwischen verschieden parametrierten Reglern ein zum Teil erheblicher Performance-Gewinn erzielt werden. Die Eignung der entwickelten Methoden für ingenieurtechnische Anwendungen wurde anhand zahlreicher schaltender wie auch nicht-schaltender technischer Beispielsysteme nachgewiesen.
Publications
- „Estimating and Enlarging the Domain of Attraction in IDA- PBC,“ In: Proc. of the 51st IEEE Conf. on Decision and Control, 2012
T. Kloiber, P. Kotyczka
- „Passivity-Based Design of Switching Controllers for Nonlinear Systems,“ In: Proc. American Control Conf., 2012
T. Kloiber, P. Kotyczka
- „Passivitätsbasierte Regelung schaltender nichtlinearer Systeme,“ In: at-Automatisierungstechnik, vol. 60, no. 8, pp. 487–497, 2012
T. Kloiber
- „Driving state adaptive control of an active vehicle suspension system,“ in IEEE Transactions on Control Systems Technology
G. Koch, T. Kloiber
(See online at https://doi.org/10.1109/TCST.2013.2240455)