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Aufdeckung der verschütteten Hispanität (Hispania submersa) aus der Zeit der Entdeckung, Eroberung und Kolonisierung in der frankophonen Karibik

Subject Area Individual Linguistics, Historical Linguistics
Term from 2009 to 2018
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 134207306
 
Final Report Year 2018

Final Report Abstract

Die Pionierrolle Spaniens in der europäischen Expansion und die zentrale Funktion spanischer Konquistadoren und Siedler in den Transkulturationsprozessen des kolonialen Raums lassen vermuten, dass sich in der Lexik des Antillenfranzösischen und der karibischen Frankokreolsprachen Relikte einer verschütteten Hispanität finden lassen (Hispania submersa), aus denen sich neue Erkenntnisse über die Geschichte der Sprachkontakte in der Karibik generieren lassen. Durch eine systematische Auswertung von Wörterbüchern und historischen Dokumenten (u.a. in Archiven) sowie Feldforschung auf den Französischen Antillen, in der Dominikanischen Republik und teilweise Haiti konnte die Gruppe über 500 Hispanismen identifizieren, die diese Hypothese bestätigen. Dabei wurden die Wortgeschichten einer Reihe von Lexemen, die als besonders emblematisch für die Hispania submersa erschienen, kleinschrittig rekonstruiert. Neben dem Spanischen und den franko-karibischen Sprachen und Varietäten mussten dazu auch indigene Sprachen (Taino, Inselkaribisch), Portugiesisch, Katalanisch und Englisch berücksichtigt werden. Auf dieser Grundlage konnte ein neues Modell von Sprachkontakt in multilingualen Kontexten entworfen werden, ebenso wie Grundzüge einer Geschichte der Sprachkontakte in der Karibik aus der Perspektive des Spanischen. Während traditionelle Arbeiten zum lexikalischen Sprachkontakt mit der Metapher der Entlehnung operieren und von bilateralen Kontaktszenarien mit einem festen Macht- oder Prestigegefälle ausgehen (vgl. Sub-, Super- oder Adstrat), stützte sich die Gruppe auf den Begriff der Kopie (Johanson 2001) und das kulturwissenschaftiche Konzept der Kontaktzone (Pratt 1992). Unter einer Kontaktzone wird ein gemeinsamer Kommunikations- und Erfahrungsraum verstanden, in dem eine hohe Mobilität der Sprecher, Mehrsprachigkeit in verschiedenen Graden und Konstellationen sowie wechselnde Formen von Machtverhältnissen herrschen. In diesem Szenario kann die etymologische Herkunft eines Lexems oft nicht im Sinne einer linearen Affiliation beschrieben werden. Semantische Konvergenz (insbesondere bei metonymischen Lesarten) wird sowohl durch Sprachkontakt als auch durch gemeinsame Erfahrungs- und Wissensbestände begünstigt. Die Rekonstruktion der verschütteten Hispanität zeigt, dass die Karibik einen Knotenpunkt zwischen zwei kolonialen Kommunikationsräumen darstellte, die im Projekt als karibische und atlantische Kontaktzone bezeichnet wurden. Die karibische Kontaktzone verband die Großen und die Kleinen Antillen mit den Festlandsäumen des nordöstlichen Südamerika. Sie existierte bereits seit präkolumbischer Zeit und hatte wahrscheinlich zur Entstehung eines Pidgins geführt, welches ab 1492 auch von den Spaniern aufgegriffen und durch iberische Elemente angereichert wurde. Es bestand bis mindestens ins 17. Jhd. hinein und bildet die historische Basis für die Hispania submersa, v.a. im Bereich pankaribisch verwendeter Lexeme für Flora und Fauna sowie für zentrale materielle und mentale Artefakte der Antillenkultur. Die atlantische Kontaktzone entstand im Kontext des Sklavenhandels und erstreckte sich von der Iberischen Halbinsel über die Kapverden bis in die Karibik. Das iberische Element, insbesondere der Wortschatz der Sklaverei, fungiert hier als historische Basis und Konstante, wobei von einer engen Koevolution der spanischen, portugiesischen und katalanischen Lexik auszugehen ist. Auf den Antillen interagierten beide Kontaktzonen miteinander, sodass beispielsweise Komponenten der karibischen Kontaktzone nach Westafrika vermittelt wurden. Mit dem Zusammenbruch der Kolonialreiche und der Beendigung der Sklaverei im Laufe des 20. Jahrhunderts verloren diese Kontaktzonen an Bedeutung. Viele Lexeme der Hispania submersa werden obsolet oder gehen semantische Eigenwege. An die Stelle weitläufiger, mehrsprachiger Kommunikationsräume traten statische, meist bilaterale Kontaktszenarien, wie wir sie beispielsweise auf der Insel Hispaniola zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik vorfinden.

Publications

  • 2012. „La formation du français régional et du créole des Antilles: l’apport du taïno“. In: André Thibault (Hg.). Le français dans les Antilles. Études linguistiques. Paris: L’Harmattan, 101-138
    Jansen, Silke
  • 2012. „Les éléments amérindiens dans le „langage des Îles“ d’après le Dictionnaire caraïbe-françois (1665) de Raymond Breton“. In: Christine Felbeck; Claudia Hammerschmidt; Andre Klump; Johannes Kramer (Hgg.). Americana Romana in colloquio Berolinensi. Frankfurt a.M. u.a.: Lang, 77-112
    Jansen, Silke
  • 2013. „Language maintenance and language loss in marginalized communities: the case of the bateyes in the Dominican Republic“. International Journal of the Sociology of Language 221, 77-100
    Jansen, Silke
    (See online at https://dx.doi.org/10.1515/ijsl-2013-0024)
  • 2014. “Simbiosis lingüística en el mundo caribeño: una contribución ecolingüística”. In: Rovira Santos, José María (ed.). Fronteras y diálogos: el español y otras lenguas. Colección lingüística hispánica. Lugo: Axac, 117–130
    Klimenkowa, Alla
  • 2015. La Española – Isla de Encuentros. Hispaniola – Island of Encounters. Tübingen: Narr [mit Beiträgen u.a. von Jessica Barzen, Hanna Lene Geiger und Silke Jansen]
    Barzen, Jessica; Hana Lene Geiger; Silke Jansen (Hgg.)
  • 2015. „Algunos indigenismos del español antillano – revisitados desde la perspectiva de la lingüística americanista“. In: José María Santos Rovira (Hg.). Armonía y contrastes. Estudios de variación dialectal, histórica y sociolingüística. Lissabon, 75-97
    Jansen, Silke
  • 2017. Sprachkontakt und lexikalische Innovation in der karibischen Kontaktzone: die Beispiele bozal, cimarrón und criollo. Hamburg: Buske, Kreolische Bibliothek
    Klimenkowa, Alla
  • 2018. “Identifying kréyòl and criollo in the contemporary French Caribbean and Spanish America”. In: Bandau, Anja/ Anne Brüske/ Natascha Ueckmann (Hgg). Reshaping (g)local dynamics of the Caribbean: Relaciones y Deconexiones – Relations and Disconnections – Relations et Déconnexions. Heidelberg: heiUP
    Klimenkowa, Alla
  • Von Guanahaní ins Lexikon - Ethnonyme in der kolonialen Karibik. 2020. 396 S.
    Geiger, Hanna Lene
 
 

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