Aufklärung der durch S100A8/A9 induzierten Entzündungsreaktionen in humanen Endothelzellen
Final Report Abstract
Neben den gemeinhin bekannten, konventionellen Reaktionen des menschlichen Immunsystems auf äußere Gefahren (i.d.R. virale, bakterielle Infektionen) hat sich in den letzten Jahren ein physiologisch sehr ähnlicher Prozess gezeigt, der jedoch durch körpereigene, d.h endogene Faktoren ausgelöst wird. In den jeweiligen biomedizinischen Disziplinen haben sich für diese beiden Bereiche der Entzündungspathogenese die Fachtermini „Pathogen associated molecular patterns (PAMPs)“ zur Beschreibung der erstgenannten Auslöser und im Unterschied dazu „Damage (Danger) associated molecular patterns (DAMPs)“ zur Beschreibung endogener Faktoren etabliert. S100-Proteine sind kleine (< 15 kDA), körpereigene, Kalzium-bindende Eiweißmoleküle die in verschiedenen Körperzellen gebildet werden und in diversen Geweben nachweisbar sind. Zwei inflammatorisch hoch-relevante Vertreter dieser Proteinfamilie sind die beiden sog. „myeloid related proteins 8 (MRP8)“ auch bekannt unter der Bezeichnung S100A8, und MRP14 (S100A9), welche den o.g. DAMPs zugeordnet werden und von spezialisierten Fresszellen (Phagozyten) gebildet und ausgeschüttet werden4. Die Expression dieser beiden Proteine ist mit zahlreichen Erkrankungen, darunter der juvenilen rheumatoiden Arthritis, chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, entzündlichen Lungenerkrankungen, Vaskulitiden und Transplantationsabstoßungsreaktionen assoziiert. Nachdem in der Vergangenheit viele Ressourcen primär auf die Erforschung der Calgranulin-Quellzellen (d.h. Leukozyten der angeborenen Immunität) sowie deren Wirkung auf andere Immunzellen (z.B. Antigenpräsentierende Zellen der adaptiven Immunität) gerichtet wurden, haben wir in den letzten Jahren zunehmend unseren Fokus auf die Erforschung der Einflüsse der S100-Proteine auf andere primäre Gewebe, darunter die gefäßbildenden Endothelzellen, gelegt. Das vorliegende geförderte Projekt befasste sich in dem Bewilligungszeitraum mit der Aufklärung und genauen Quantifizierung von möglichen aktivierenden Effekten der S100-Proteine in zwei humanen Endothelzellmodellen, nämlich Human umbilican vein endothelial cells (HUVECs) als makrovaskuläre Modellzelle und Human microvascular endothelial cells (HMEC-1) (SV40-immortalisierten dermalen Gefäßzellen) die als mikrovaskuläres Modell dienten. Dabei wurde besonders intensiv der Fragestellung nachgegangen, welche Konformationen der Calgranuline (S100A8/A9 Heterodimer bzw. -tetramer versus S100A8-Homodimer, S100A9-Homodimer) die inflammatorisch aktiven Komponenten sind, ob Regulationsmechanismen existieren und welche intrazellulären Signalwege an der Vermittlung möglicher Effekte beteiligt sind. Im Ergebnis konnte eine signifikante, durch verschiedene voneinander unabhängige Methoden und Zellisolate bestätigte direkte inflammatorische Aktivierung beider Endothelzelltypen durch Stimulation mit pathologisch-relevanten Mengen an S100-Dimeren (S100A8 und S100A9) nachgewiesen werden. Das in Gegenwart von Calcium gebildete Heterotetramer ist hingegen kaum aktiv. Im Laufe der Untersuchungen stellte sich ein weitaus präziseres Bild der Funktionsweise und des möglichen Regulationsmechanismus zur Steuerung der inflammatorischen Aktivität heraus, die durch Calgranuline auf Zellen ausgeübt wird. Demnach wurde zu Beginn der Untersuchungen das physiologisch und pathologisch in Exsudaten bzw. Patientenseren nachweisbare S100A8/A9-Hetrotetramer als pathologisch-relevante Komponente der beobachteten Effekte vermutet, zumal die verschiedenen Konformationen sich in den klinischen Nachweisverfahren nicht unterscheiden lassen und somit entsprechend dieser Vermutung standardmäßig in den rudimentären Versuchen bei Konzentrationen von 0,2 mg/ml eingesetzt worden sind. Dabei zeigten sich bereits klare Anzeichen hinsichtlich einer pro-inflammatorischen und thrombogenen Aktivierung (Anstieg der ICAM-1 und VCAM-1 Oberflächenexpression, starke Induktion thrombogener Eigenschaften, Permeabilitätszunahme und Verlust von Zell-Zell Kontaktproteinen wie VE-Cadherin, Cateninen und den Tight-Junction Proteinen ZO-1 und ZO-2). Einige biochemische Untersuchungen zur Tetramerisierung von S100A8/A9-Komplexen lieferten entscheidende Hinweise auf die Funktion der Kalzium-abhängigen Tetramerisierung an sich und die inflammatorische Potenz der jeweiligen Ausgangskomponenten. Zur Verifizierung dieser frühen Erkenntnisse wurden die Endothelzellen im Folgenden nicht mehr nur mit dem S100A8/A9- Hetrotetramer behandelt, sondern mit den Einzelkomponenten S100A8 und S100A9, welche im Gegensatz zum S100A8/S100A9 Heterodimer in Gegenwart von Calcium kein Tetramer formen können. Wir konnten zeigen, dass Dimere, im Gegensatz zum Tetramer in verschiedenen unabhängigen Methoden wie etwa mRNA-Genexpressionsanalysen, Protein-Expressionsanalysen und funktionellen Untersuchungen inflammatorisch weitaus potentere Effekte aufweisen. Ferner konnte durch diese Erkenntnis die minimale Konzentration der einzusetzenden S100-Proteine für signifikant messbare Unterschiede (etwa ICAM-1 Proteinexpression, oder endothelialer Widerstandsverlust bei Impedanzmessungen) auf bis zu 2µg/ml gesenkt werden (was lediglich einem Hundertstel der ursprünglich verwendeten Menge der S100A8/A9-Heterotetramer Stimulationen entspricht). Solche und höhere Konzentrationen werden regelmäßig klinisch bei Patienten mit akuten inflammatorischen Schüben von Autoimmunerkrankungen wie z.B. rheumatoider Arthritis im Serum nachgewiesen. Die bisherigen Ergebnisse führten zur folgenden Arbeitshypothese. Verschiedene entzündliche Trigger können zur Freisetzung von S100A8/A9-Komplexen durch Phagozyten führen. Die extrazellulären S100A8/A9-Komplexe aktivieren über den Toll-Like-Rezeptor 4 (TLR4) überwiegend Zellen des angeborenen Immunsystems. Die Aktivität der S100A8/A9-Heterodimere ist durch die hohe extrazelluläre Kalziumkonzentration reguliert. Hierdurch kommt es zur Tetramerisierung dieser Moleküle, wodurch die biologische Aktivität aufgehoben wird. Der weitere Metabolismus des S100A8/A9-Tetramers ist bislang nicht bekannt. Zukünftige Arbeiten werden sich auf die Verifizierung der hier in vitro gewonnenen Daten im Tiermodell fokussieren. Des Weiteren werden zukünftige Ansätze vermehrt auf dynamische Einflüsse, wie z. B. Share-Stress, Rücksicht nehmen, da bekannt ist, dass diese Faktoren die Stimulierbarkeit von Endothelzellen maßgeblich beeinflussen können. Auch wenn unsere Daten darauf hinweisen, dass TLR4 eine maßgebliche Rolle in der S100-vermittelten Aktivierung von Endothelzellen spielt, ist die Rolle anderer Bindungsstrukturen für diese S100-Proteine, wie z. B. Heparansulfat, noch nicht abschließend geklärt.
Publications
- Endothelial cells present an innate resistance to glucocorticoid treatment: implications for therapy of primary vasculitis. Ann Rheum Dis. 2012, 71:729-36
Koenen P, Barczyk K, Wolf M, Roth J, Viemann D
(See online at https://doi.org/10.1136/annrheumdis-2011-200530) - „Endothelial cells present an innate resistance to glucocorticoid treatment: implications for therapy of primary vasculitis.“ Dissertation Westfälische Wilhelms-Universität Münster (2012) (Promotionspreis der WWU Münster)
Koenen, P