Life history langlebiger Vögel: Individueller Wandel und Seneszenz bei der Flussseeschwalbe
Final Report Abstract
In diesem Vorhaben haben wir den weltweit einzigartigen und anerkannten Datensatz zur Life-History einer wildlebenden Population der Flussseeschwalbe, eines kleinen, langlebigen Seevogels, auf 24 Jahre erweitern können. Die Individuum-basierten Daten wurden modernen statistischen Verfahren unterworfen, um die auf Populationsniveau in fast allen geprüften Merkmalen sichtbaren altersabhängigen Änderungen im Leben der Individuen auf selektives Erscheinen oder Verschwinden und auf Wandel innerhalb der Individuen (=Ontogenie) zu prüfen. Letzteres erwies sich als wesentlicher Mechanismus für die vielfältigen Verbesserungen der Merkmale im Lebenslauf, wie frühzeitige Ankunft und Legebeginn, reproduktionsbiologische Parameter und Bruterfolg, Hormonausstattung und Wahl des Neststandortes. Seneszenz dagegen wurde nur in der Überlebensrate und dem Reproduktionswert festgestellt. Überraschenderweise allerdings trat Seneszenz in der Folgegeneration zutage, indem Töchter von älteren Müttern einen geringeren Reproduktionserfolg hatten, Söhne von älteren Vätern aber eine geringe Überlebensrate zeigten, so dass sowohl für Söhne als auch Töchter gealterter Eltern der Lebensbruterfolg reduziert war. Diese Alterseffekte verbunden mit dem hohen Reproduktionswert im Alter von 7-12 Jahren lassen demographische Konsequenzen erwarten. Selbst in hohem Alter von über 20 Jahren verbleibt ein Reproduktionswert von im Mittel 1-2 Jungen, so dass es sich auch für eine sehr alte Flussseeschwalbe noch lohnt zu brüten, denn sie kann weiterhin Junge erwarten. Die Rekrutierungsrate der Kolonie (Ansiedlung geburtsortstreuer Erstbrüter) wird durch Umweltbedingungen sowohl während der Aufzuchtzeit einer Kohorte als auch während ihrer Überwinterung beeinflusst. Rekruten und Prospektoren locken Immigranten an, was sich als wesentlicher Mechanismus für das Wachstum der Kolonie ergab. Flussseeschwalben verlagern ihre Neststandorte mit dem Alter zunehmend in die präferierten Randbereiche der Inseln. Unter Einsatz von in einem künstlichen Ei versteckten Blut-saugenden Raubwanzen wurden Hunderte von Blutproben ohne Fang der Altvögel gewonnen, zur physiologischen Charakterisierung der Individuen hinsichtlich ihrer Qualität und Lebensleistungen. Das Brutgeschäft der Flussseeschwalben wird durch die Hormone Prolaktin und Kortikosteron gefördert, die mit der individuellen Qualität in Zusammenhang stehen. Auch die Telomerlänge kann als Marker für Alterung und Überlebensstil dienen und Hinweise zur Überlebenswahrscheinlichkeit der Individuen geben. Der fortgeschriebene Datensatz ermöglicht weitere vertiefte Analysen zur Life-History eines langlebigen Vogels, und die 8.856 genotypisierten DNA-Proben (Mikrosatelltiten) bieten die Chance auf Lösung spannender populationsgenetischer Fragestellungen. Das Projekt wurde der Öffentlichkeit vorgestellt durch eine projektbezogene Homepage (www.lotti-web.de), ein Kapitel im Buch „Die Jade“, Isensee-Verlag 2015, sowie durch die Fernsehserie von ARTE „Im Bann der Jahreszeiten“, in der 2015 u.a. auch das Vorhaben thematisiert wurde.
Publications
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