Die religiöse Praxis der Zhaijiao ('vegetarische Sekten') im heutigen Taiwan
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Empirischer Gegenstand des Forschungsprojektes waren unter dem Namen „Zhaijiao" zusammengefasste religiöse Gruppierungen im heutigen Taiwan. Diese „vegetarischen Sekten" verfügen über eine bis in Ming-Zeit zurückgreifende Geschichte auf dem chinesischen Festland, die während der letzten Jahrzehnte Gegenstand verschiedener historischer Untersuchungen war. Kaum untersucht ist jedoch die Entwicklung dieser religiösen Gruppen im 20. Jahrhundert und ihre gegenwärtige Situation. Während die verschiedenen zu diesen Sektentraditionen gehörenden Gruppierungen auf dem chinesischen Festland offiziell verboten sind, das heißt als illegale Religionsgemeinschaften gelten, können sie sich in Taiwan relativ frei von politischen Beschränkungen entfalten. Es ist deshalb möglich, Feldforschung in Taiwan durchzuführen, um die heutige Praxis vegetarischer Sekten zu erforschen. An dieser Stelle setzt die wissenschaftliche Zielsetzung des Forschungsprojektes an. Die Konzentration auf die religiöse Praxis erfolgt dabei mit der doppelten Zielsetzung, nämlich einerseits durch ethnographische Forschung zu einem besseren Verständnis der in den schriftlichen Quellen beschriebenen rituellen Praktiken zu gelangen und andererseits Erkenntnisse über Veränderungen der religiösen Praxis wie auch der Vorstellungen dieser Bewegungen unter den Bedingungen der sozialen Transformationen seit Beginn der japanischen Besatzung Taiwan (1895) zu gewinnen. Wie im Antrag angekündigt, bestand das Forschungsprogramm darin, zunächst weitere historische Quellen und neuere Dokumente zur Geschichte der Zhaijiao in China unter besonderer Berücksichtigung Taiwans aufzuarbeiten. Auf dieser Grundlage war es möglich, im Verlauf zweier Feldforschungsaufenthalte in Taiwan die heutige Bedeutung normativer Texte für die religiöse Praxis dieser Bewegungen zu untersuchen. Im Zentrum stand dabei die bei weitem größte dieser drei Gruppierungen, die Longhua pai („Drachenblumensekte"). Die beiden übrigen Richtungen (Jintongpai, Xiantianpai) sind heute in Taiwan nur noch in weit geringem Maße quantitativ vertreten. Durch die Feldforschung konnte unter anderem erkannt werden, dass entgegen ursprünglichen Annahmen deutliche auch heute noch bestehende rituelle Unterschiede zwischen den drei Richtungen der Zhaijiao bestehen. In allen Fällen konnte allerdings auch eine während der japanischen Besatzungszeit (1895 - 1945) forcierte Anpassung ritueller Formen an den Mönchsbuddhismus festgestellt werden. Diese Verminderung ritueller Distinktion dürfte einer der Gründe für den quantitativen Rückgang der Zhaijiao noch dem Ende der japanischen Kolonialzeit sein. Es soll darauf hingewiesen werden, dass über die im Antrag formulierten Forschungsziele hinaus sowohl durch die Feldforschung als auch durch die weitere intensive Beschäftigung mit der Materie einige neue Aspekte zur Geschichte und gegenwärtige Situation vegetarischer Sekten in China deutlich wurden.