Experimentelle Untersuchungen zum Einfluss der Formgebung von Tragflügelspitzen auf das räumlich-zeitliche Geschwindigkeitsfeld der entstehenden Flügelwirbel
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt behandelte die Untersuchung und systematische Beschreibung des Aufrollvorgangs von Flügelrandwirbeln. Zentraler Aspekt war die Erklärung der veränderlichen Axialgeschwindigkeit im Wirbelkern und der Interaktion zwischen Wirbelkern und der sich spiralförmig aufrollenden Scherschicht. Ziel des Projekts war es, den Einfluss von drei unterschiedlichen Randbogenformen auf die Größe und Veränderung der Axialgeschwindigkeit im Wirbelkernbereich herauszuarbeiten. Hierzu wurden experimentelle Untersuchungen in einem Wasserumlaufkanal an einem Halbflügelmodell mit Clark-Y-Profil bei verschiedenen Streckungen, Anstellwinkeln und Reynoldszahlen durchgeführt. Die Randbogenform wurde variiert, wobei eine weitere Form (RL-20-20) hinzugenommen wurde. Die Ausbildung des Flügelrandwirbels im Nahfeld hinter dem Flügel sowie auf dem Flügel konnte mit Hilfe der 3C-PIV-Messtechnik in Schnitten senkrecht zur Strömungsrichtung hoch aufgelöst werden. Folgende Erkenntnisse wurden gewonnen: Axiale Bewegungen im Wirbelfeld und besonders entlang der Wirbelachse entstehen durch einen Unterdruck und dessen Veränderung entlang der Wirbelachse. Dieser entsteht durch einen Gleichgewichtszustand mit der Zentrifugalkraft, die aus der Drehbewegung des Wirbels resultiert und durch Integration ihrer Anteile entlang des Radius gewonnen wird. Eine verdichtete Zirkulationsverteilung zur Wirbelachse hin erzeugt einen hohen Unterdruck und somit eine hohe axiale Übergeschwindigkeit. Axiale Jets von bis zu u/U∞ = 1,4 wurden gemessen. Verteilt sich die Zirkulation aufgrund viskoser Diffusion im Bereich starker tangentialer Gradienten im Bereich des Wirbelkernrandes auf größere Radien, lässt der Druck im Kern nach und die Axialgeschwindigkeit sinkt. Es wurden unterschiedlich starke Gradienten des Abfalls der Axialgeschwindigkeit gefunden, welche für unterschiedlich starke Diffusionsprozesse sprechen. Sie können mit der Orientierung der Wirbelachse unmittelbar hinter dem Flügel und damit durch die Randbogenform erklärt werden. Solange Drehbewegung vorhanden ist, kann die Axialgeschwindigkeit allein durch diesen Effekt nicht unter das Niveau der freien Außenströmung u/U∞ = 1 sinken. Auf den Wirbelkern einwirkende Totaldruckverluste können die axiale Strömung weiter verlangsamen. Werte bis zu u/U∞ = 0,6 wurden gemessen. Sie treten in der Scherschicht auf und kommen durch axiale Fluktuationen in der Scherschicht sowie durch die mittlere Untergeschwindigkeit aufgrund des Impulsverlustes im Flügelnachlauf zustande. Indem sich die Scherschicht durch den Einfluss des Drehungsfeldes spiralförmig um den Wirbelkern aufwickelt, werden die von ihr transportierten Impulsverluste nahe an den Wirbelkern heran getragen und reduzieren dessen axiale Geschwindigkeitskomponente. Die untersuchten Randbogenformen bilden durch die Verrundungen der Seitenkante und des Flügelgrundrisses unterschiedliche Wirbelstrukturen aus und weisen damit eine Verringerung der Auftriebsverteilung im Flügelaußenbereich auf. Dieses spiegelt sich in einer abnehmenden Zirkulationsintensität im Wirbelkernbereich und im anfangs erzielten axialen Geschwindigkeitsniveau wider. Eine These wird vorgestellt, wonach die intensive Drehung im Randbereich der Scherschicht den Energieaustausch zwischen freier Außenströmung und der Untergeschwindigkeit im Flügelnachlauf begünstigt. Insgesamt konnten an einem Flügel mit Clark-Y-Profil die Mechanismen identifiziert werden, die den Aufrollvorgang charakterisieren und das stark unterschiedliche Verhalten der Axialgeschwindigkeit in Abhängigkeit der untersuchten Randbogenformen beschreiben. Die Wahl des Randbogens übt einen Einfluss auf die gesamte entstehende Wirbelstruktur aus und bestimmt die Wechselwirkung des Wirbelkerns mit der Scherschicht im Nachlauf. Die bisherige Bearbeitung des Themas liefert folgende Schwerpunkte, auf die weitere Forschungsarbeit sinnvoll aufbauen würde: 1. Die Untersuchung des Einflusses der Profilform in Kombination mit den bisherigen Randbogenformen: Es konnte gezeigt werden, dass der Zustand der Scherschicht erheblichen Einfluss auf die Entwicklung des axialen Geschwindigkeitsniveaus ausübt. Dies erklärt auch die unterschiedlichen Ergebnisse in der Literatur hinsichtlich des Einflusses der Randbogenform bei unterschiedlicher Wahl des Profils. Es sollte daher eine ganzheitliche Betrachtung der gemeinsamen Wirkung von Randbogen- und Profilform erfolgen. 2. Die Untersuchung der weiteren Parameter Pfeilung und Zuspitzung sowie der Wirkung der Randbogenform über größere Entfernungen stromab: Hinsichtlich einer Anwendung der bis hier gesammelten Erkenntnisse auf Flugzeugebene ist zu prüfen, wie die realen Flugzeugparameter die axiale Geschwindigkeitsstruktur beeinflussen. Des Weiteren sollte hier untersucht werden, ob die ausgeprägten Unterschiede, welche im Nahfeld beobachtet werden können, im erweiterten Nahfeld bzw. im Fernfeld bestehen bleiben. 3. Die Erarbeitung eines quantitativen Zusammenhangs zwischen Flügelform und Wirbelstruktur: Die gewonnenen Erkenntnisse ließen sich in quantitativen Zusammenhängen zwischen Flügelform und Wirbelstruktur in Abhängigkeit der Randbedingungen der Strömung niederlegen. Daran anschließend sollte die Möglichkeit untersucht werden, inwiefern innerhalb gewisser Toleranzen aus der Kombination der untersuchten Flügelgeometrieparameter eine gewisse Wirbelstruktur an einer bestimmten Position stromab des Flügels erzeugt werden kann. Neben einer rein grundlagenorientierten Betrachtung des Phänomens der Axialgeschwindigkeit sind auch mehrere angewandte denkbar: Es ist bekannt, dass die axiale Geschwindigkeitsstruktur einen Einfluss auf kurzwellige sowie langwellige Instabilitätsformen ausübt. Gleichzeitig beeinflusst die axiale Komponente das Geschwindigkeitsfeld des Flügelnachlaufs und damit die Widerstandsbilanz. Es scheint denkbar, eine Tragflügelspitze zu konzipieren, welche unter bestimmten Anströmbedingungen den Wirbelzerfall begünstigt, und eine andere, welche sich günstig auf den Widerstand auswirkt. Hierauf aufbauend liegt der Ansatz zu einer neuartigen verstellbaren Flügelspitze nahe, welche ähnlich einer Hochauftriebshilfe die Flügelkonfiguration auf die Anforderungen der Start- und Landephase bzw. des Reiseflugs einrichtet. Des Weiteren lassen sich die im Nahfeld gewonnenen Wirbeldaten als Eingangsdaten für die numerische Simulation eines Wirbels im Fernfeld nutzen. Schließlich kann es anhand des erarbeiteten quantitativen Zusammenhangs zwischen Flügelform und Wirbelstruktur möglich sein, die Flügelspitzenkonstruktion im Flugzeugentwurf hinsichtlich eines Wirbeldesigns zu erweitern. Momentan wird üblicherweise lediglich der entstehende Abwind im Rahmen der Berechnung des induzierten Widerstands betrachtet.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Active Manipulation of a Rectangular Wing Vortex Wake with Oscillating Ailerons and Winglet-Integrated Rudders”, in: Notes on Numerical Fluid Mechanics and Multidisciplinary Design, 96(44-51), 2008
R. Hörnschemeyer, C. Rixen, G. Neuwerth and R. Henke
- "Einfluss der Formgebung von Tragflügelspitzen auf das Räumlich-Zeitliche Geschwindigkeitsfeld von Flügelrandwirbeln", DGLR, Deutscher Luft- und Raumfahrtkongress, 2010
R. M. Buffo, R. Hörnschemeyer, R. Henke
- „Influencing Aircraft Wing Vortices”, in: Summary of Flow Modulation and Fluid-Structure Interaction, pages 181-204, Springer-Verlag, 2010
R. Hörnschemeyer, G. Neuwerth and R. Henke
- „Investigation on turbulence properties in the wake of a generic rocket model“ (2010), in: Sonderforschungsbereich/Transregio 40, Annual Report 2010, 2 (99-108)
C.C. Wolf, R. Henke and R. Hörnschemeyer
- "Wing-Tip Shape and the Axial Flow Structure in Wing-Tip Vortices", 3rd CEAS Air & Space Conference, 21st AIDAA Congress, 2011
R. M. Buffo, R. Hoernschemeyer
- „Investigation on Turbulence Structures in the Wake of a Generic Rocket Configuration”, 17. DGLR-Fach-Symposium der STAB, 9.-10.11.2011 in Berlin
C.C. Wolf, R. Henke, R. Hörnschemeyer