Analyse positiv-valenter Emotionen im Tiermodell der Laborratte: Verhalten, Neurochemie, Pharmakologie und die Rolle inter-individueller Unterschiede
Final Report Abstract
Ultraschallvokalisationen stellen bei Ratten ein wichtiges Kommunikationsmittel dar, dessen Auftreten vom affektiven Zustand, Vorerfahrungen, sowie individuellen und situativen Aspekten abhängt. So sind bei jugendlichen und erwachsenen Tieren sogenannte 22- und 50-kHz-Rufe typisch, die als Indikatoren für Angst und Gefahr (22-kHz) bzw. positive Zustände und Annäherung (50-kHz) dienen können. Außerdem sind diese Rufe nicht nur für die aktuellen Situationen typisch (wie Bedrohung oder Belohnung), sondern auch für deren Erwartung. Die Beziehungen zwischen Zustand, Erwartung und Belohnung haben wir in verschiedenen herkömmlichen Testsituationen untersucht, nämlich dem Zugang zu Nahrungsquellen oder dem Zugang zu körperlicher Betätigung (exercise), die beide für Ratten als Belohnungen dienen können. Diese Untersuchungen haben gezeigt, dass 50-kHz-Rufe mit teils individuellen Mustern nach einigen Tagen der Belohnungserfahrung auftreten und dies sowohl während der Erwartung als auch während dem Belohnungszugang. Das Auftreten ist dabei in teils unerwarteter Weise von bestimmten Faktoren abhängig, wie dem Zustand des Tieres (hungrig vs. satt), der Qualität der Belohnung und dem Ausmaß des Zugangs. Besonders bedeutsam war dabei, dass die Rufmuster zum Teil substantiell andere Ergebnisse erbrachten als herkömmliche Maße (wie Verhaltensaktivierung, Annäherung, Konsum), d.h. die Analyse der Ultraschallvokalisation liefert eine wertvolle neue Betrachtungsebene, die über die herkömmlicher Maße hinausgeht. Weitere psychopharmakologische Tests zeigten allerdings, dass 50-kHz-Rufe ähnlich wie herkömmliche affektive und motivationale Indikatoren von Dopamin und endogenen Opiaten abhängen. Besonders bedeutsam und neuartig war dagegen der mittels Voltametrie ermittelte Befund, dass es beim Empfänger von 50-kHz-Rufen (aber nicht bei 22-kHz-Rufen) zu einer Aktivierung von Dopamin im Nucleus accumbens kommt, d.h. dass Dopamin in diesem sogenannten Belohnungszentrum nicht nur bei der Produktion (Sender) sondern auch bei der Reaktion darauf (Empfänger) eine Rolle spielt. In weiteren Untersuchungen haben wir uns der Frage gewidmet, wie solche Vokalisationen in einschlägigen Krankheitsmodellen eingesetzt werden können. 50-kHz Rufe treten erstmals während der Kindheit bzw. dem sozialen Spielverhalten (rough-and-tumble-play) auf und erhöhen die Wahrscheinlichkeit des innerartlichen Kontaktes bzw. seiner Aufrechterhaltung. Da dieses soziale Spiel spätere Sozialkompetenzen einübt (z.B. bei Rangbildung oder Paarung) ist zu vermuten, dass soziale Isolation während dieses Spielalters neben diversen bekannten Verhaltensdefiziten auch zu verringerter späterer Reaktivität auf 50-kHz-Rufe führt, was wir mittels unseres früher entwickelten Playback-Paradigmas auch zeigen konnten. Da soziale solche Isolation seit einigen Jahren als Risikofaktor in präklinischen Krankheitsmodellen wie z.B. für Schizophrenie angewendet wird, konnten wir somit ein neuartiges Maß für diesen Forschungsbereich bereitstellen. Interessanterweise fanden wir Defizite der Ultraschallvokalisation aber nicht nur bei Isolation, sondern auch bei einer bestimmten Variante von "Environmental Enrichment", und dies obwohl auch dieses "Enrichment" zu typischen Verbesserungen neuronaler Plastizität führte und andere kognitive Funktionen verbesserte. Eventuell handelt es sich in manchen Fällen von "Enrichment" daher um eine Art von "intense world syndrome", das aktuell bei Erkrankungen wie Autismus diskutiert wird. In einem weiteren präklinischen Modell, nämlich für Manie, konnten wir weiterhin zeigen, dass 50-kHz-Rufe als Manie-Indikator dienen könnten, der pharmakologische Effekte antimanischer Therapie (wie Lithium) anzeigt, die mit herkömmlichen Verhaltensmaßen nur eingeschränkt messbar sind. Diese Befunde zeigen deutlich, dass 50-kHz Ultraschallrufe von Ratten als nützliche und neuartige Maße dienen, die das Spektrum bisheriger Methoden wesentlich erweitern können, sowohl im grundlagenwissenschaftlichen Bereich als auch bei präklinischen Tiermodellen.
Publications
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Brenes JC & Schwarting RKW
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Brenes JC & Schwarting RKW
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Brenes JC & Schwarting RKW
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