Mit den Methoden der Mittelalterarchäologie und deren Nachbardisziplinen konnte ein Bodendenkmalensemble zweier mittelalterlich-frühneuzeitlicher Fundstellen im Osten Unterfrankens nahe der Stadt Gerolzhofen untersucht werden. Bei insgesamt knapp 60 Wochen archäologischer Feldarbeit auf etwa 2100 m2 Grabungsfläche, geophysikalischen Prospektionen auf einem etwa 7,5 ha großen Areal und der daran anschließenden Auswertung von Dokumentation, Archivalien und Sekundärliteratur ließen sich bislang völlig unbekannte und zuweilen sensationelle Sachverhalte zur politischen Raumgliederung Mainfrankens vom frühen bis späten Mittelalter erschließen, deren Bedeutung weit über die Grenzen Unterfrankens hinausreicht. Ziel der in Kooperation des Lehrstuhls für Archäologie des Mittelalters der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, der Stadt Gerolzhofen und des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege durchgeführten Untersuchungen waren ein exponiert gelegener Bergsporn namens Kapellberg sowie eine unter der Bezeichnung Lindelach bekannte Dorfwüstung in unmittelbarer Nähe. Unter der Prämisse, eine spätmittelalterliche Bischofsresidenz des 14. Jahrhunderts in Form eines erst jüngst entdeckten, repräsentativ gestalteten Steinbaus auf dem Höhenrücken zu untersuchen, änderte sich der Projektverlauf überraschenderweise schnell dahingehend, dass der Platz insbesondere vom 8. bis 10. Jahrhundert eine überregionale Bedeutung aufwies. Neben der Entdeckung einer spätmerowingerzeitlichen Befestigungsanlage der fränkischen „Landnahmezeit“ aus den Jahrzehnten um 700 und der Identifizierung des Platzes als karolingischer Fiskalgutkomplex der Erstausstattung des Bistums Würzburg, kommt dem Ort insbesondere im 10. Jahrhundert ein hoher Stellenwert zu. Bei dem schon in den Jahren 926 +/- 27 errichteten Steingebäude samt umgebender Befestigung handelt es sich um einen repräsentativen und sogar in der Chronik Thietmars von Merseburg erwähnten Komplex der „Schweinfurter“ Markgrafen, der in seiner Architektur auf einer Stufe mit ottonischen Pfalzen und Königshöfen steht. Dessen folgende Entwicklung als würzburgischer Ministerialensitz gipfelte erst an ihrem Abschluss in der Erhebung als ursprünglich gesuchtes „pallacium“ der Würzburger Bischöfe, bis der Platz um 1400 endgültig aufgegeben wurde. Die Untersuchungen in der nahen, bereits im 10./11. Jahrhundert existierenden und in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges aufgelassenen Wirtschafteinheit Lindelach ergänzen diese Ergebnisse um viele siedlungsarchäologische Erkenntnisse, deren Forschungspotential in dieser Form in weiten Teilen Süddeutschlands seinesgleichen sucht. Trotz erfolgter Vorlage einer abschließenden Dissertationsschrift mit zahlreichen den vorhandenen Forschungsstand ergänzenden Aspekten dürften und sollten Kapellberg und Wüstung Lindelach auch in Zukunft weiterhin beste Voraussetzungen für eine archäologisch-historische Erforschung bieten.